... und hier wurde mir zum erstenmal bewußt, daß es auf den Namen allein ankam, daß er allein trug und neben ihm alles Übrige verblaßte.
Elias Canetti
Die gerettete Zunge
Ich schaute in das Fenster und sah, zum erstenmal, mein erstes Buch. Da lagen mehrere Exemplare nebeneinander. Ich vergewisserte mich. Ja - mein Name, der war richtig gedruckt. Ach, hat mich das erleichtert!
Ernst Herhaus
Kapitulation
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2. n) Das Da und der Eigenname
Das Phänomen des Wer gehört nicht ursprünglich zum Sein als Subjektivität, sondern zum Dasein und a fortiori zum fundamentalontologischen Phänomen des Sich-vorweg-seins. Die Wer-Larven sind, auf den Bezug zum Sein hin gedacht, nichts anderes als die Seinsmöglichkeiten des geschichtlich-männlichen Daseins.
(...) das Dasein ist ihm selbst in seinem Sein je schon vorweg. Dasein ist immer schon 'über sich-hinaus', nicht als Verhalten zu anderem Seienden, das es nicht ist, sondern als Sein zum Seinkönnen, das es selbst ist.[1]
Dieses Sich-vorweg-sein als Sein-zum-Seinkönnen des männlich Seienden ist jedoch immer ein eigengenanntes, eine Verknüpfung von Eigennamen und Entwurfsmöglichkeiten. Durch den eigenen Namen erst ek-sistiert der Wer in der Lichtung, die immer schon auch Lichtung der Mitwelt ist. Dieser Sachverhalt legt die ontologische Benennung: to zoion onoma echon nah. Die Werlarven sind die phänomenale Gestalt der männlichen Seinsmöglichkeiten im Umgang mit Seiendem im Mitsein. Doch während vermutlich die Freiheit des Daseins im Sein zum Seinkönnen im Licht des Seins liegt, zeigt der geschlechterontologische Blick, daß diese Freiheit ontologisch ursprünglich auch mit der strukturellen Geworfenheit in die Eigennamenträgerschaft behaftet ist, einer Geworfenheit, die vor jeder Unterscheidung zwischen Aktivität und Passivität liegt, die aber unausweichlich auf die Geworfenheit nicht nur in die Welt schlechthin, sondern vor allem in die Mitwelt hinweist. Die Freiheit des Daseins ist deshalb als Gabe zu erfahren, als durch ein Geschick des Seins vorbestimmt und weder rein als eine Sache der Entscheidung und der Entschlossenheit noch als etwas anthropologisch Selbstverständliches, noch allein als Ermöglichung in der geschehenden Differenz von Sein und Seiendem, sondern als ein mitweltlich durch den Eigennamen Ins-Sein-gerufen-sein, was immer auch heißt, daß das Dasein mit den Anderen konfrontiert ist. Diese ontologisch-mitweltliche Geworfenheit und Vorgegebenheit machen die Umkehrung der obigen Formel in to onoma zoion echon plausibel. Der Eigenname ist die ursprünglichste, vereinzelnde Last des Seins als Wer. Die Eigenverantwortung eines selbstbewußten Subjekts z.B. wird erst durch die Vorbelastung der Eigengenanntheit, d.h durch die Ansiedlung in der Sprache, die zugleich eine Ortung in der Mitwelt bedeutet, ontologisch fundiert. Die Lichtung des Da erweist sich dadurch als Auftrag des Seins, als Wer einen Eigennamen zu tragen und erst dergestalt formbestimmt sich zu seinen eigenen Seinsmöglichkeiten zu verhalten und sie so auszutragen, im Umgang sowohl mit Seiendem der dritten Person als auch mit Anderen. Im Gegensatz zu einer Bestimmung des Menschenwesens von der Subjektität her macht das Durchdenken des Werseins deutlich, daß das Menschenwesen ursprünglich mitweltlich entworfen-geworfene Ek-sistenz ist dergestalt, daß die Geworfenheit in die Eigengenanntheit und damit in die Sprache einer mitweltlichen Einbettung gleichkommt. Dagegen hantiert der neuzeitliche Ansatz beim Subjekt mit der Fiktion eines weltlosen substanzartigen Ich, das in sich ein Fundament finden kann. Der Ansatz beim Wersein macht darüber hinaus überaus deutlich, daß das Dasein immer schon Mitsein ist, zumal die Sprache, und nicht nur das Verstehen, zur ursprünglichen Bestimmung der männlichen Wesung gehört.
Der Eigenname stellt die Einsetzung des Einzelnen als Einzelnen in die Sprache dar und ineins damit ins Dasein, in die Offenheit für das Seiende als solches im Ganzen. Wersein und Dasein sind damit gleichursprünglich. Das Gerufensein in die Eigengenanntheit geht mit dem Gerufensein in die Sprache überhaupt einher. Beide sind ihrerseits im Grundgeschehen der Geworfenheit in die ontologische Differenz verwurzelt, was gleichbedeutend ist mit der Geworfenheit in die Welt[2]. Heidegger faßt die Welt jedoch als Entwurf, der als "Entbergen der Ermöglichung" (ebd. S.529) das Geschehen des Unterschieds von Sein und Seiendem ist, in dem die Offenbarkeit des Seienden als solchen geschieht. Ermöglichung heißt für Heidegger Freiheit zur Verwirklichung eines Entweder-Oder im Umgang mit Seiendem. Das Seiende wird dabei in einer Unterschiedslosigkeit, einer Universalität genommen in dem Sinn, daß alles Seiende ist. In der Offenbarkeit des Seienden als solchen wird jeweils ein Ganzes vernommen, aus dem heraus einzelnes Seiendes mit Hinblick auf Ermöglichung einer Wirklichkeit im Verhalten verstanden wird. Dabei werden laut Heidegger die anderen Menschen, die Mitmenschen, auch als Seiende genommen, d.h. unter dem Aspekt von Wassein, Sosein, Daßsein und Wahrsein verstanden, und somit die Eigenständigkeit und Ursprünglichkeit der Dimension des Werseins übergangen. Die Eigengenanntheit als das erste Wesensmerkmal des Werseins verweist aber auf die Mitwelt, in der andere Menschen erscheinen. Die Welt als Entbergen der Ermöglichung muß auch als Seinkönnen im Umgang mit anderen Menschen verstanden werden, wobei jedoch diese nicht allein unter dem Aspekt des Seienden als solchen verstanden werden können, sondern als gleichermaßen Werseiende, die einer eigenen Kategorialität bedürfen, um in ihrem Sein begriffen zu werden, denn das Sein als Wassein, Sosein, Daßsein und Wahrsein bezieht sich nur auf Seiendes in der dritten Person. Im Zusammenhang mit der zweiten Person wird das Wersein immer mehr an Selbständigkeit gewinnen gegenüber dem Sein der Metaphysik. Der erste Ansatz dazu wird durch die Eigengenanntheit eingeleitet. Dieser muß jedoch weiter entfaltet werden dergestalt, daß die Larven des Wer zu Verhaltensweisen und Haltungen im Umgang mit Anderen werden, womit die Aufgaben für weitere Kapitel angedeutet sind.