kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


2. Männlichkeit als Wersein

d) Zum Beispiel Michael Eldred


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    2. d) Zum Beispiel Michael Eldred

  1. Um das Phänomen der Eigengenanntheit deutlicher herauszuheben, wird nun ein Beispiel durchgespielt: Michael Eldred unterscheidet sich phänomenal fundamental vom Ich, wie auch von Michael und von Eldred allein. Der volle Wer west erst als Michael Eldred; weder als Michael, der ihn unzureichend - höchstens noch privat - auszeichnet in seiner Einzelheit, noch als Eldred, der nur die öffentliche Seite seiner Person etwas barsch und verkürzend bezeichnet, bin ich für mich und die Anderen in der Lichtung des Seins da. Für die Anderen ist Michael Eldred irgendein Besonderer, ein Einzelner, der geliebt, gehaßt oder gemocht, oder aber gleich-gültig mit vielen anderen besprochen und behandelt bzw. ignoriert wird. Für mich ist Michael Eldred mein eigenstes Wort, Träger meines Primärnarzißmus, das mich als mich ruft und an-spricht, mein mit mir identisches Wort, das mir näher als irgendein von mir Geschaffenes steht bzw. wodurch ein von mir Geschaffenes mit mir verbunden ist. Meine Eigentlichkeit sammelt sich um meinen Eigennamen; erst durch die Eigengenanntheit des Werseins bin ich zu einer Eigentlichkeit gehalten, da mein Eigenname nur mich, und zwar unverwechselbar, nennt. Von meinem Eigennamen gibt es kein Entkommen. Michael Eldred birgt Verwandlungen, deren Einssein nur durch die Selbigkeit des eigensten Namens verbürgt wird. Michael Eldred ist mit Ich nicht deckungsgleich, da Ich irgendwer sein kann oder vielmehr schon ist. Ich ist noch anonym, eine gewalttätige Abstraktion von der Einzelheit und Einzigkeit von Michael Eldred. Nur durch die Einzigkeit, die vereinzelte Unverwechselbarkeit des Eigennamens läßt sich ein Platz in der Lichtung erobern oder gar überhaupt einnehmen. Die Worte aus meinem Mund tragen eine Signatur, die sie eigentlich macht. Eigentlichkeit meint hier freilich nicht die Heideggersche: die Hinausgehaltenheit in der ontologischen Differenz von Welt schlechthin, sondern sie trägt ein weiteres Wesensmerkmal in die Existenz ein: Innestehen in der Lichtung der Wahrheit des Seins als eigengenannter Wer. Die Unbezüglichkeit der Existenz, von der in Sein und Zeit die Rede ist, liegt maßgeblich bzw. ursprünglich in der Eigengenanntheit des Werseins.

  2. Michael Eldred als die sprachliche Fixierung von mir, mein sprachlicher Locus, mein Ort in der Sprache erlaubt es, daß Andere wörtlich über mich verfügen, und zwar über mich auf eine Weise, die meine intimste Innigkeit mit Michael Eldred nicht unberührt, nicht unerschüttert läßt. Erst durch meine Identität mit dem Namen Michael Eldred bin ich auch von anderen verletzbar. Doch die Verfügung über mich fängt nicht erst mit der Möglichkeit meiner Verletzung durch die Anderen an, ich bin überhaupt für die Anderen erst durch meinen Eigennamen da, anwesend. Ein anonymes Ich west nicht, ist nicht, ist irgendwer, ist nichtig. Es liegt eine wesentliche Zweideutigkeit und Zweischneidigkeit in der Eigengenanntheit. Zum einen bin ich, Michael Eldred, durch meinen Eigennamen erst in die Unverwechselbarkeit meiner Existenz gerufen, nur mit meinem Eigennamen bin ich in der ersten Person da. Zum anderen aber läßt der Eigenname eine Verfügbarkeit durch die anderen in der Sprache zu, er ist meine allgemeingültige sprachliche Bezeichnung, das Merkmal meiner existenziellen Ausdehnung in die Mitwelt. Durch die Verfügung wird die Einzigkeit meines Eigennamens eingeebnet, vergleichgültigt, obschon der Eigenname zugleich den letzten Widerstand gegen die Verallgemeinerung der 1. Person darstellt. Die Eigennamen sind jeweils einzigartig und verweigern jede Verwechslung. Ich bin kein Ich, sondern bin als Michael Eldred und als Wer durch meinen Eigennamen besetzt, besessen, berückt. Eine Welt hat sich um meinen Eigennamen zu fügen; das ist die Bedeutung von Primärnarzißmus. Kraft der Eigengenanntheit bin ich paradoxerweise als Wer kein Seiendes in dem Sinn, daß mein Erste-Person-sein sich nicht in eine allgemeine Rede der dritten Person aufheben läßt. Durch die Aufhebung geht etwas, mein ansichhaltendes Intimstes, verloren. Meine erste Person haftet unaufhebbar an ein paar unverwechselbaren Buchstaben. Die Unverwechselbarkeit meines Eigennamens birgt die vereinzelte Unbezüglichkeit und die Einsamkeit in sich. Die erste Person schafft den Sprung in die dritte Person der Sprache nicht, sondern hält fest an bedeutungsträchtigen und dennoch nichtssagenden, nicht verallgemeinerbaren Sprachzeichen. Die andere Seite des Wer, seine wehrhafte öffentliche, mitweltliche Seite bewegt sich - noch eigengenannt - ohne weiteres in der dritten Person als ein Seiendes, wovon die Rede sein kann. Seiendes bedeutet strenggenommen stets die dritte Person und prallt an der in sich gekehrten ersten Person ab. Obwohl der Eigenname eine Schnittstelle bildet, besteht zwischen der ersten und der dritten Person auch ein unüberwindbarer Bruch, der in der Janusköpfigkeit des Eigennamens spürbar wird. Durch den Eigennamen schaffe ich zwar den Sprung in die Sprache überhaupt, die mich aber dann überrollt, indem sie über meinen Eigennamen in der dritten Person bedenkenlos verfügt, als sei ich ein Seiendes in der dritten Person. Damit ist mein Eigenname sowohl ein Schild meiner Wehrhaftigkeit als auch meine verletzbare Ferse, der Punkt, an dem ich in meiner ganzen Ehre dem Logos und damit der Mitwelt ausgesetzt bin.

  3. An dieser Stelle des Textes über mich als Michael Eldred gewissermaßen in der dritten Person, aber für die Leser in der ersten Person, zu reden, verletzt einerseits meine Identität mit Michael Eldred - die kein distanziertes Reden-über... zuläßt -, meinen nackten Wer und bringt andererseits -beinahe peinlicherweise - eine Selbstbezogenheit zur Sprache, die nicht anonym bleibt. Die Fremdheit dieser Redeweise sprengt auf unmittelbare Weise die ontologische Unausgesprochenheit und Vertuschung des Phänomens des Wer und führt scheinbar Unzulässiges, Abwegiges, bloß Soziologisches in das (in sein Ende gekommene) philosophische Denken ein. Die Problematik der esten und der dritten Person in ihrer Differenz gehört jedoch zum innersten Kreis der bisher nicht angegangenen Fragen der Philosophie.

  4. Die namentliche Selbstbezogenheit des Haftens am Eigennamen läßt sich nicht leicht schreiben. Sie ist, kurz gesagt, etwas grotesk oder zumindest befremdlich. Eine Annäherung gelänge vielleicht, wenn Sie als Leser oder als Leserin Ihren eigenen Eigennamen für 'Michael Eldred' in den vorhergehenden Absatz einsetzten. Erst dann könnten Sie den versuchten, heiklen Gedankengang erproben. (Denn das Begehren des Eigennamens - so es scheint - ist es, in die Lichtung des Seins zu kommen und dort dauerhaft Raum zu erobern.) Erst eine solche Probe zeigt, daß der obige Gedankengang in der ersten Person gemacht werden muß. Sie müssen es von sich aus versuchen, es kann kein beliebiges X in ihn eingesetzt werden, sondern nur Ihr eigener Name. Ihr eigener entblößter Name muß der Mitwelt ausgesetzt werden, damit Sie ihr zugehören. Zugehörigkeit heißt aber, der Mitwelt zu gehören. Die Schnittstelle zwischen Ihnen und der Mitwelt ist eben Ihr eigener Name (wobei freilich es egal ist, ob Männer- oder Frauenname).



      Anmerkungen 2. d)


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