ei de toi makarioi to einai aireton esti kath' hauto, agathon tei physei on kai hedu, paraplesion de kai to tou philou estin, kai ho philos ton aireton an eie. Wenn also dem Glücklichen die ständige Anwesung in sich selbst begehrenswert ist, dem waltenden Aufgehen gemäß gut und angenehm, und Ähnliches für die ständige Anwesung des Freundes gilt, dann ist wohl auch der Freund begehrenswert.
Aristoteles
Nikomachische Ethik IX. ix. 1170b 14-17
Das Miteinandersein im Man ist ganz und gar nicht ein abgeschlossenes, gleichgültiges Nebeneinander, sondern ein gespanntes, zweideutiges Aufeinander-aufpassen, ein heimliches Sich-gegenseitig-abhören. Unter der Maske des Füreinander spielt ein Gegeneinander.
Martin Heidegger
Sein und Zeit S. 175
Das Obensein ist nur möglich durch das ständige Obenbleiben in der Weise der ständigen Überhöhung.
Martin Heidegger
Parmenides Gesamtausgabe Bd. 54 S. 66
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5. h) Kampf um den Stand als ein Ständiger
Wo nämlich das Gefälle zwischen den Wer-Komplexen der männlich Seienden, aus welchem Grund auch immer (z.B. gesellschaftlicher oder hierarchisch abgesicherter Vorrang, Überlegenheit in sozialer Gewandtheit, in intellektueller Potenz etc.) offensichtlich schon vorentschieden ist, kann kein Kampf der Anerkennung stattfinden, da die Scheidung in Oben und Unten bereits ihren Bestand und ihr Ergebnis hat, und die Werseienden stehen, wo sie nun mal sind. Aber auch dort, wo zwei Werseiende ihre Werkomplexe in gänzlich verschiedenen Lebensbereichen auf- und ausbauen, kann kein Kampf zu Stande kommen, da ihr existenzielles Oben, d.h. die Spitze, in die sie ihre Identität vorwiegend legen, jeweils verschieden ist. Die Vertikalität des Werseins erweist sich demnach als aufgefächert in verschiedenen, pluralen Vertikalitäten, die jedoch keineswegs die Möglichkeit eines Kräftemessens ausschließen. Da, wo zwei ähnliche Werkomplexe aneinandergeraten, dort findet der Kampf statt, dort kann es einen Sieger und einen Verlierer geben, dort reiben sich die Werstände aneinander. Nur dort kann es ein Kräftemessen geben. Im modernen Alltag findet der Kampf unter der Tarnung der gegenseitigen Respektierung gleicher Personen, der formalen Anerkennung der gesellschaftlich abgesicherten Gleichheit des Menschseins statt. Die formale Gleichheit hat aber keine Relevanz, wo es um die Anerkennung als Wer geht. Wo keine physische Gewalt angewandt werden darf, d.h. eine Gewalt, die auf die unmittelbare leibhafte Negation des Anderen und auf den unmittelbaren Beweis der eigenen überlegenen Ständigkeit aus ist, nimmt der Kampf sublimierte Form an, d.h. eine aufgehobene und zugleich subliminale, unterschwellige Form, die zudem sublimer, 'höher' sein soll. Die Ähnlichen sind also notwendigerweise "einander feind" (Platon Lysis 215d). Sie machen sich gegenseitig ihren Stand als Seiendes strittig und beweisen dadurch, wer Wer ist.
Die Larven der persona als Erscheinungsweisen des Werseienden fungieren wie Schilder und Glanzwaffen, die im Kampf der Anerkennung unter formal Gleichen bestehen sollen. Das Ablegen der Waffen und Schutzschilder wäre nicht mannhaft, d.h. entspräche nicht dem Walten des Seins als Ständigkeit der Anwesung unter den männlich Seienden. Der Begriff der Waffe und des Schildes hier soll keine Analogie zu 'früheren' Zeiten bilden, wo im 'Kampf ums Überleben' Männer 'natürlicherweise' handfest miteinander kämpfen mußten. Auch der Verweis auf die 'kriegerische Natur' anderer ethnischer Gruppen, d.h. auf Völker, die sich in anderen Erdteilen aufhalten, bringt keine Erhellung in diesen Wesensbereich, dessen Aufgabe darin besteht, die 'Naturgesetze' selbst vor dem Hintergrund des geschichtlichen Ereignisses der Ankunft des Seins ins abendländische Denken zu durchdenken. Wo die Polemik und Agonistik im Walten des Seins selbst wesen, ohne ihren Wesensgrund der Unverborgenheit preiszugeben, gibt es viele gedankenlose Vorstellungen her, die eine Vielfalt von Phänomenen anscheinend mit 'Naturnotwendigkeit', als 'anthropologische Konstanten' oder aber aus einem 'historisch gegebenen Zusammenhang' heraus erklären. Im Denken des Seins selbst halten wir uns oft in einer haarscharfen Nähe zu gedankenlosen Vorstellungen, die wegen ihrer trivialen, fraglosen Selbstverständlichkeit berücken. Diese Gedankenlosigkeit sollte indessen nicht mit selbstverständlichen Vorstellungen oder mit Vielwisserei von 'anthropologischen Fakten' zugedeckt werden. Der Verlust des Gesichtes im Aneinandergeraten der männlich Seienden als möglicher Ausgang des Kräftemessens bedeutet mehr als Niederlage, er beinhaltet verlorene Ehre (timé), die Schmähung des Wergefühls, den Abriß des wehrenden Wer, die Besudelung des Eigennamens, das Als-nackter-Eigenname-dastehen. Wenn der eine männlich Seiende sein Gesicht vor dem Anderen verliert, wird das Aufeinandertreffen mit einem Schlag unmöglich. Insofern kommt der Gesichtsverlust einem Wertod gleich, einer schmerzhaften Vernichtung auch des eigensten Wer, einem Abschied aus dem Sein. Die Vernichtung bedeutet ein Auslaufen des Werstands aus der Ständigkeit des Standhaften, wodurch es dem männlich Seienden zumindest vorübergehend nicht mehr gelingt, als Wer im Offenen der Öffentlichkeit zu stehen und damit zu sein. Die Hinausgeworfenheit aus der Ständigkeit als existenziell möglicher Ausgang des Kampfes um die Anerkennung gewährt dem männlich Seienden die Erfahrung des Nichts im Wersein. Aus dem Sein hinausgeworfen, gewinnt der männlich Seiende möglicherweise einen Überblick über und einen Einblick in das Wersein als Ereignis der Seinsgeschichte unter der seltenen Voraussetzung, daß seine existentielle Lage ihm zu denken gibt. Der männlich Seiende muß die Erfahrung gemacht haben, daß als Wer zu sein keine Selbstverständlichkeit darstellt und letztlich weder psychologisch noch individual-genetisch noch anthropologisch zu erklären ist. Die vorliegende Abhandlung kann nur ein Fingerzeig auf die Möglichkeit sein, sich selbst als Wer und deshalb vom Sein selbst her zu verstehen. Er kann nur anzeigen, nicht beweisen. Gegen diejenigen, die sich an der argumentativen Vernunft festklammern, und die nicht bereit sind, sich auf die grundgebende Abgründigkeit der Wesung des Seyns[1] selbst einzulassen, vermag er nichts auszurichten.
Widerfährt dem Werseienden eine Ungerechtigkeit, wenn er in der Agonistik eine Niederlage erleidet? Sicherlich nicht, wenn diese im Sinne des Unrechts in einem Rechtsstaat verstanden wird. Der Rechtsstaat hält die Alltagsagonistik nämlich geradezu aufrecht. Die Gerechtigkeit als Tugend hingegen, womit sich die Denker der polis, Platon und Aristoteles maßgeblich beschäftigten, nimmt eine hervorragende Stelle als politisches Ordnungsprinzip ein, das sich nicht auf formales Recht reduzieren läßt. Gleichwohl jedoch beinhaltet die Gerechtigkeit keineswegs die Überwindung oder Aufhebung oder Verwindung des Wervermessens, sondern einen aufrechten Umgang mit ihm, der ihm gewisse Schranken im Namen der männlichen Tugendhaftigkeit setzt. Gerade die aufrechte Haltung der Gerechtigkeit soll den nicht hinnehmbaren Auswüchsen der Agonistik Einhalt gebieten, freilich ohne den Kampf selbst abzuschaffen noch im mindesten ihn in Frage zu stellen. Die Gerechtigkeit gehört so frag-los zum Sein als Wer, das die als Moralität verstandene Ethik immer nötiger hat, je mehr das Menschenwesen geschichtlich in die Unbedingtheit der Subjektität hineingewachsen ist, damit die Agonistik in Schach gehalten werden kann. Daß die männlich Seienden als ständige Werwesen zu sein haben, wird nur unausdrücklich von der Gerechtigkeit der Metaphysik vorausgesetzt, denn das Sein des männlich Seienden ist für die Metaphysik keine Frage. Die Begriffe der Tugend, der virtu, des kategorischen Imperativs usw. sind Begriffe der Ständigkeit, d.h. sie setzen ein ständiges Menschenwesen, das an Idealen und Werten gemessen wird, voraus und bewegen sich selbstverständlich im Element des Werseins. Es geht der Ethik nur darum, wie der Wer wesen soll, nicht darum, warum es überhaupt Werseiende gibt und nicht vielmehr Nichtwerseiende? Mit anderen Worten: Ist es so selbstverständlich, daß der männlich Seiende männlich ist?