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3. g) Der absolute Geist
Vom Blickpunkt einer Geschichte des Geistes aus betrachtet, wäre die Verpuppung das genaue Gegenteil von dem, was Hegel als den absoluten Geist denkt, der mit einer allmächtigen Logik den Gang der Welt in ihren tiefsten historischen Geheimnissen durchdrungen und sich damit als Weltgeist identifiziert hat. Wenn der absolute Geist sich in die Zeit als Geschichte veräußert, sogar verausgabt hat, und im Lauf der abendländischen Geschichte zu sich selbst gekommen ist, bietet das historisch Geschehene des 20. Jahrhunderts - vor allem in Deutschland - mehr als genug Schauriges, um vor der Absolutheit dieses Geistes auf seinem Höhepunkt zurückzuschrecken. Vielleicht erst aus dem endgültigen Scheitern des absoluten Geistes in seiner Selbstverherrlichung im Gang der Geschichte ist heute eine entlarvende Verpuppung über Denkende gekommen, die noch die Kraft besitzen, Worte zu fassen. Die abendländisch anfängliche sokratische Weisheit, die in einer vom Körper befreiten, mannhaften Unerschütterlichkeit gipfelt, hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Das Sein als Wer ist heute erschüttert. Der Wer zittert - in der Erzitterung des Seins selbst? Wenn bei Hegel der Geist "in der Nacht seines Selbstbewußtseins versunken" ist (PhG Werke 3:590), bedeutet dies nicht die Gebrochenheit des Wer, der nun wehr- und larvenlos vor sich steht, sondern eine sich versammelnde, aufbewahrende Kraft, die eine neue Welt als Geistesgestalt noch durchdringen bzw. zustandebringen wird, um endlich als "der sich als Geist wissende Geist" (ebd. 591) hervorzutreten. Wie aber, wenn die Puppe sich als die Wahrheit des absoluten Geistes am Ende des abendländischen Abends entpuppte? Wie, wenn der Wer aufhörte, sich etwas (nämlich seinen sichaufrichtenden Halt und sein Interesse am Seienden) vorzumachen und sich stattdessen dem Fragen nach dem Sein als solchem und somit der Abgründigkeit seiner Existenz öffnete?
Was hat der Wer sich vorgemacht? Unter anderem: das Absolute. Ein Hauptbestreben der Philosophie und der abendländischen Religion ist es gewesen, den Bezug zum Absoluten herzustellen, sei es aufgrund eines Urgefühls (Jacobi), einer unmittelbaren intellekuellen Anschauung (Fichte) oder begrifflicher Anstrengung (Hegel). Das Absolute ist mitunter auch Gott genannt worden, das höchste Wesen, der unbedingte Schöpfer der Welt. Es ging dem philosophierenden und religiösen Menschen darum, am Absoluten teilzuhaben, und sei es, daß das Absolute bloß als Regulativ für die theoretische Vernunft sowie für das menschliche Handeln diente (Kant). Dem verpuppten Wer ist das Absolute abhanden gekommen, es ist nicht mehr möglich, sich selbst zu einem Höchsten hin als letzter Orientierung zu übersteigen. Was geschichtlich bleibt, ist der nackte Wer und sein nackter Eigenname ohne Möglichkeit der Versöhnung durch die Aufnahme in ein Größeres, Höheres, in eine sinnvolle Totalität. Auch der Positivismus, dessen Stärke aus dem Niedergang der Metaphysik hervorging, verzichtet zwar auf Transzendenzansprüche, aber sucht einen Halt noch im Wissen der Wissenschaften. Ein Wissen, das nicht mehr - wie bei Hegel - Absolutheit beansprucht, zielt immer noch darauf, die Seienden mit Wissen zu durchdringen, sie rücksichtslos um willen der Herrschaft über sie zu entbergen. Selbst der moderne Nihilismus Nietzsches, der die unbedingte, sprich absolute Subjektivität des Willens zur Macht als Menschenwesen entwirft, vermag der Verpuppung des Versagers nicht zu entgehen, gesetzt, die Gestalt des Versagers sei eine geschichtlich-schicksalhafte und nicht eine bloß individuell psychologische. Denn beim Rückzug der Lichtung des Seins als ständiger Anwesung, in der das Menschenwesen ausschließlich auf das Sein des Seienden und vor allem auf die Hervorbringung von Seiendem ausgerichtet war, öffnen sich vielleicht andere Dimensionen, die das Menschenwesen auffächern.