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Daß Heidegger die Spur des Geschlechtlichen in seinen Schriften nicht
aufgenommen hat - das läßt sich auf eine einfache Weise bemerken.
Er nimmt sie nicht auf über den Körper, über das Sexuelle,
über das Begehren oder über das Genießen - sein Denken
wird nicht den Bindungen des Eros nachgehen, noch der Bindungslosigkeit
des Ekzesses, der Entgrenzung, des dionysischen Rausches. Das ist nicht
seine Sache. Auf eine einfache Weise scheint Heidegger den Gestus der Metaphysik
zu wiederholen und ihre Weise, die Spur des Geschlechtlichen nicht zu übersetzen,
es nicht in ihr Gebiet zu übertragen, wenn sie in einer Bewegung der
Neutralisierung alle Bindungen aufhebt, um eine einzige zu etablieren -
die von lógos und Sein. Heideggers Denken wird sich in die
Spannweite dieser einzigen Bindung stellen, sie jedoch nicht einfach wiederholen,
sondern das Wesen dieser Bindung so bedenken, daß es einen Abstand
von der Metaphysik ermöglicht und zugleich einen anderen Spielraum
eröffnet. Einen Abstand von der Metaphysik und dem, was er ihre Seinsvergessenheit
nennt, die schon in der griechischen Philosophie beginnt und sich in dem
zeigt, daß sie wohl aus der Differenzspanne von Seiendem und Sein
denkt, aber diese Spanne selbst nicht bedenkt. Wenn Heideggers Denken diese
Differenzspanne wiederholt, sie dreht, dann, um die Metaphysik selbst auf
die Seinsvergessenheit als ihr Wesen hinzudrehen und um zugleich damit
Spielraum für jenes scheinbar Einfache zu gewinnen, Spielraum des
Staunens angesichts des einfachen Gegebenseins des Seienden in seiner Offenheit,
einen Spielraum der einfachen Bindung von Sein und Seiendem. Heidegger
wird dieses Einfache allerdings oft schwer sagen - schwer in der Weise
des Gestus 'anfänglichen' Denkens, des Pathos des An-Denkens der Bindung,
der religio (von religare zurückbinden) an das Sein,
des hohen Tons der Dichtung, der griechischen Tragödien. Heidegger
wird an diese Tradition der Griechen anknüpfen - zum Beispiel mit
Antigone.
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Daß Heidegger Frau nicht aufnimmt, das läßt sich
freilich auch bemerken. Es ist dies etwa der Fall, wenn er einen fremden
Text auslegt, das Werk eines anderen in sein Denken übersetzt. Frau
wird umgangen in Heideggers Übersetzung der Antigone des Sophokles,
obgleich die Antigone im Text umgeht, mit ihr umgegangen wird.[1]
Das Umgehen besagt, daß Heidegger Frau nicht aufnimmt, daß
er nicht übersetzt, was es heißt, daß ein weiblicher Name
dort kursiert. Wiederholt Heidegger damit einfach eine traditionelle Umgangsweise,
den Namen der Frau wie ein Epitheton oder eine Metapher zu behandeln, deren
konkrete Bedeutung in der Übersetzung, dem Sprung in die 'übertragene'
Bedeutung in ein Allgemeines aufgehoben/fallengelassen wird? Heidegger
wird jedenfalls Antigone nicht so übersetzen, daß sie als
Frau erscheint, sondern seine Übersetzung wird die Bedeutung von Antigone
in die der religio des Menschen an das Sein führen. Seine Übersetzung
sucht dieses rückbindende Band zu knüpfen, eine Gebundenheit,
aus der - so Heidegger - das dichtende Wort des Sophokles ursprünglich
schöpfte.
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Heidegger wird also nicht übersetzen, daß Antigone Frau ist,
sobald er allgemein von dem Bezug des Menschen zum Sein spricht. Wenn dies
nicht einem einfachen Akt des 'Aufhebens' von Frau in das allgemeine Wesen
des Menschen geschuldet ist, zeigt das Umgehen womöglich eine
gewisse Übersetzungsschwierigkeit des philosophischen Textes an, eine
Schwierigkeit des Transfers von Antigone als Frau in das Genre des philosophischen
Textes, d.h. deutet auf eine Problematik der Operation der ontologischen
Differenz selbst? Ist dann Frau stärker der Wirkung der Differenz
ausgesetzt, die auseinanderträgt, die zerstreut, gerade dann, wenn
Frau unübersetzt bleibt, stärker der Differenz ausgesetzt als
dem lógos des in einen Horizont der Anwesenheit Gestellten?
Verweist das Umgehen Heideggers auf diesen Effekt des sich Zerstreuenden
außerhalb des lógos, auf die Wirkung einer Zerstreuung,
die nicht sammelt, sondern eine Differenz zu allen Anwesenheits-Horizonten
markiert? Das Umgehen wird sich mithin in den Weg des Übersetzens,
des Übertragens einzeichnen, es wird sich zeigen, wie in seiner Spanne
der Name der Frau aufgenommen/fallengelassen wird - wiewohl Frau möglicherweise
außerhalb bleibt und sich nicht aufnehmen läßt in diese
Spanne. Das Nichtaufnehmen von Frau steht somit in einem nicht einfachen
Zusammenhang zu dem, was eingangs als der Gestus der metaphysischen Neutralisierung
bezeichnet wurde, über den Bereich des Seienden hinaus nach dem Seienden
als solchem zu fragen, d.h. aus der ontologischen Differenz von Sein und
Seiendem zu fragen, in einem nicht einfachen Zusammenhang auch zu dem,
wie Heidegger die Frage der ontologischen Differenz selbst dem metaphysischen
Denken entgegendreht. Im Unterschied dazu würde in diesem Fall die
Neutralisierung - die Suspendierung des Horizonts der onto-logischen Einstellung
des Seienden - weiter betrieben und nicht aufgehoben werden. Dann würde
als ein Nebeneffekt zu dem, wie Heidegger Antigone in die religio
des Menschen an das Sein übersetzt - das Öffnen des Horizonthaften
überhaupt -, das Umgehen von Frau, also das, was sich nicht
übersetzt, in die Nähe des differierenden Effekts der Differenz
zu bringen sein - jedoch ohne daß dies von Heidegger eigens bedacht
wird.
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