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Noch einmal, wie kann das philosophische Denken ihr Tun in seinen Bereich
übersetzen, auf welche Weise kann der Transfer von Antigone und ihrer
weiblichen, epikalyptischen Operation in die Philosophie, in die Metaphysik
geschehen? Was bedeutet die Operation der epikálypsis, ihr
Wirksamwerden innerhalb der Metaphysik und ihrer onto-logischen Bindung?
Wenn das Denken der traditionellen Metaphysik sich innerhalb des Horizonts
der Anwesenheit entfaltet - traditionell fragt sie nach dem Seienden als
solchem, nach dem Sein des Seienden in seiner Offenbarkeit für den
lógos -, welchen Stellenwert hat dann das (Ver)decken, das
(Ver)bergen? Muß nicht eine Verschiebung der Metaphysik passieren,
damit epikálypsis in den Blick kommt? Eine Verspannung ihres
Horizonts, daß das Phänomen der (Ver)deckung erscheinen kann?
Wendet die Operation der epikálypsis die Metaphysik so, daß
sie sie auf ein ihr entzogenes Außen dreht, auf ein gegenüber
der traditionellen Metaphysik und ihren Namen für diese Stelle nunmehr
Anonymes, absolut Transzendentes, aber gleichwohl Wirkendes? Ein epékeina
tes ousías, das in diesem Fall durch einen weiblichen Zug getragen
und (offen)gehalten wird?
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Das Übersetzen ist eine Sache des Übergangs. Es hat zu tun mit
einem Wechsel - Wechsel des Genres, Wechsel der Sprache -, hat vordergründig
zu tun mit einem (Original)text, der in eine andere Sprache, in ein anderes
Genre hinübergebracht wird. Vordergründig - denn eigentlich geht
es bei der Übersetzung um die Sprache, mithin um das Denken selbst.
Man meint, das "Übersetzen" sei die Übertragung einer Sprache
in eine andere, der Fremdsprache in die Muttersprache oder auch umgekehrt.
Wir verkennen jedoch, daß wir ständig auch schon unsere eigene
Sprache, die Muttersprache, in ihr eigenes Wort übersetzen. Sprechen
und Sagen ist in sich ein Übersetzen ... Wir meinen dabei nicht erst
den Vorgang, daß wir eine Redewendung durch eine andere derselben
Sprache ersetzen und uns der "Umschreibung" bedienen. Der Wechsel in der
Wortwahl ist bereits die Folge davon, daß sich uns das, was zu sagen
ist, übersetzt hat in eine andere Warheit und Klarheit oder
auch Fragwürdigkeit. Dieses Übersetzen kann sich ereignen,
ohne daß sich der Sprachliche Ausdruck ändert. ... Das sogenannte
Übersetzen und Umschreiben folgt immer nur dem Übersetzen
unseres ganzen Wesens in den Bereich einer gewandelten Wahrheit. Nur wenn
wir schon diesem Übersetzen übereignet sind, sind wir
in der Sorge des Wortes.[1]
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Für Heidegger bedeutet das Übersetzen wesentlich die eigene Auseinandersetzung
mit dem Anfang dessen, was für das abendländische Denken Philosophie
heißt. Sie verläuft zugleich als eine Revision dieses für
uns verlorenen Anfangs, in der nicht einfachen Bewegung von Wiederholung,
Änderung und Fortschreibung, stiftet so eine Bindung an ein 'Anfängliches',
wobei das Denken, einen Prozeß des Nachträglichen anspannend,
seinen je eigenen Anfang entfaltet.[2]
Nun ist dieses revidierende Übersetzen vor allem gegen eine 'andere'
Übersetzung gerichtet, gegen eine Übersetzungsgeschichte in der
jener nachtragende Zug anfänglicher Bindung vergessen wurde, sich
in der Verdunkelung, dem Vergessen der anfänglichen Eröffnung
selbst einrichtete. Heideggers Übersetzen sucht sich in den Zug dieser
Nachträglichkeit zu stellen - die nachtragende Bindung des Menschen
an das Sein - dem entgegen, was er die Seinsvergessenheit des abendländischen
Denkens, der Metaphysik, nennt. Spanne zwischen dem, was es heißt,
scheinbar einfach zu vergessen - obgleich es eigentlich ein doppeltes Vergessen
ist, das Vergessen wird ebenso vergessen - und dem, was es heißt,
das Vergessen eigens zu gewahren, es damit in einen Prozeß des Andenkens
zu drehen, die Spanne des Nachtrags zu eröffnen. Andenken an einen
Anfang, den es als Geschehen nie gegeben hat, in dessen Wirkung die Sache
des Denkens gleichwohl steht, in dessen Spur sich das Denken aufgeworfen
hat wie eine Falte - sich das Denken jeweils erneut aufwerfen muß
-, als es 'sich' dachte in dem Moment des Fragwürdigwerdens von Denken
und Sein.
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Für diesen Anfang machte Heidegger das Griechische, die Worte der
griechischen Dichtung geltend, die Szenerie der griechischen Tragödie,
welche selbst sich aus dem Stoff des Mythos, frühe memoria
des Menschen, speiste. In einer Bewegung, die dem entgegenläuft, wie
die frühen Philosophen, wie etwa Platon, zu trennen suchten - das
Dichterische, den mytho-lógos vom philosophischen lógos
-, suchte Heidegger in jenem die memoria an das anfängliche
Geschehen des "Aufgehens" der Bindung von onto-lógos - ein
Geschehen gleichwohl sine scaena und persona. Eine Art Voreröffnung
der Statt der Metaphysik, in deren Offenheit diese sich immer schon entfaltet.
Auch die griechische Tragödie setzt ein mise-en-scène
- zum Beispiel Antigone. Sie übersetzt den mytho-lógos in
die Polis, die Stätte des griechischen Gemeinwesens, was Heidegger
wiederum als die Stätte des menschlich geschichtlichen Aufenthalts
inmitten des Seienden im Ganzen übersetzt.[3]
Spanne der Bindung und der Distanz gegenüber dem, was historisch die
griechische Polis war und dem, wie sie Heidegger veranschlagt als der je
und je offene mithin geschichtliche, epochale Raum überhaupt.
Das Vor-politische und alles Politische im ursprünglichen und
im abgeleiteten Sinne erst ermöglichende Wesen der pólis
liegt darin, die offene Stätte zu sein der Schickung, aus der sich
alle Bezüge des Menschen zum Seienden, und d.h. immer zuerst die Bezüge
des Seienden als solchen zum Menschen bestimmen. Das Wesen der pólis
kommt daher stets ans Licht nach der Art, wie das Seiende als solches überhaupt
ins Unverborgene tritt.[4]
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Also Spanne der Bindung an eine scaena - zum Beispiel an die Polis
der Griechen, an die Polis in den Tragödien des Sophokles und an die
statthabende Öffnung der Stätte des Geschichtlichen, der alétheia
als der Unverborgenheit des Seienden - und einer Distanz, eigentlich
sine scaena, die den Prozeß der Eröffnung selbst, daß
überhaupt Aufgehen und Erscheinen des Seienden ist, zu denken ermöglicht.
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Heidegger überträgt die Antigone des Sophokles in diese diffizile
Spannung. Eine Spannung, die durch eine weibliche Operation gehalten wird
- die epikálypsis Antigones, was wiederum Heidegger nicht
übersetzt. Der Nachtrag der Heideggerschen Übersetzung sucht
die Wirkung eines 'Anfangs', eines 'Anfangs' sine scaena und persona
zu eröffnen, mithin der Anfänglichkeit des abendländisch
metaphysischen Denkens. Heidegger geht jedoch nicht so weit, die Metaphysik,
wenn er sie dreht, wenn er sie auf die 'ursprüngliche', aber diffizile
Bindung von lógos und Sein dreht, mit einer 'anfänglichen'
Operation des Weiblichen zu konfrontieren, die nicht einfach in der Bindung
des Menschen an das Sein aufgeht. Freilich kann die Bedeutung von
Antigone nicht einfach in die Metaphysik übersetzt werden, nicht innerhalb
des Horizonts der Anwesenheit erscheinen, nicht innerhalb der Stätte
des Offenen, der alétheia als der Unverborgenheit des Seienden,
wenn Antigone eigentlich von léthe, vom Seinsentzug her zu
denken ist. Soweit dreht Heidegger die Antigone des Sophokles und die darin
ausgesprochene "dichtend-denkende Grunderfahrung des Seins" gegen die Metaphysik
und ihre Seinsvergessenheit. Aber darüber hinaus retabliert diese
Drehung nicht einfach die Bindung des Menschen, wenn diese selbst von einem
weiblichen Zug getragen ist. Einer weiblichen Operation, die sich nicht
ohne weiteres 'aufheben' läßt durch die Übersetzung in
das Genre der Philosophie als das Übersetzen zu einem "neuen
Ufer ... in den Bereich einer gewandelten Wahrheit."[5]
Vielmehr berührt epikálypsis die Frage des Transfers,
des Übersetzens des philosophischen Textes von einem Außerhalb
her. Sie trägt dadurch Sorge für die "Sorge des Wortes", daß
sie (sich) entzieht, ausweicht in ein dem lógos Entzogenen
- ein Zug, mit dem sie in die Nähe des differierenden Effekts der
Differenz zu bringen ist. Wiederholt sich hier eine Schwierigkeit des metaphysischen
Diskurses, der schon Platon ausgesetzt war bei seinem Versuch, die Funktion
von chóra "durch Reden zu erhellen"?[6]
Wiederholung und nachtragende Wirkung einer diffizilen Operation, die nicht
einfach zu übersetzen ist. Wie auch der Wächter ins Stocken
gerät, die Tat Antigones Kreon ohne Umschweife zu übermitteln.
"So wandte ich es hin und her, eilte mit Weile,/ Und also wurde aus dem
kurzen Weg ein langer. ... - und hab ich auch rein nichts zu sagen -/ Es
anzuzeigen doch." (231-234)
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