Vielmehr bemüht sich die Abhandlung darum, eine Faltung im Ontologischen sicht- und spürbar zu machen - eine Faltung im Sein selbst. Nirgends in meinem Buch wird behauptet, das Männliche als "das Ontische" sei das "Eigentliche", "Primäre" gegenüber einem "bloß Anderen" der Weiblichkeit. Vielmehr handelt es vom Vorrang der Ständigkeit im Denken der metaphysischen Tradition, einem Vorrang, der heute erst und nur von außerhalb der Metaphysik hinterfragt werden kann. Löchel dreht das herum und behauptet, Althergebrachtes werde nur noch einmal affirmiert. Im Editorial schließt sich Christine Kanz an: "Die Studie zementiert eher alte Geschlechterstereotype...", obwohl mein Buch sehr deutlich macht, daß es nicht um Geschlechter, sondern um Geschlechtlichkeit geht, und daß die Geschlechtlichkeit - nun in ihrer Herkunft vom Sein aufgezeigt - auf eine Weise fragwürdig gemacht wird, die keine gender studies leisten können. Geschlechtlichkeit betrifft eben die allertiefsten, unscheinbarsten Vorurteile unseres abendländischen Denkens selbst und kann nur dann angegangen werden, wenn diese Herkunft ausgelegt wird. Das Sein selbst ist die Frage. Rolf Löchel hat recht, wenn er bemerkt, mein "eigenwilliger Entwurf" sei "vollkommen außerhalb jedes geführten gender-Diskurses" situiert und "stellt wohl kaum einen fruchtbaren Ansatz im Rahmen der gender-Diskurse dar." Ich wollte zu den Phänomenen selbst und sie als Weisen des In-der-Welt-seins aufdecken. Das erfordert ein Sprengen des eingebürgerten Denkrahmens. Leser und Leserinnen, die in der gender-Literatur bewandert sind, werden zweifelsohne merken, daß die gender studies niemals die Frage nach der Männlichkeit und der Weiblichkeit auf fundamentalontologische Weise aufkommen lassen. Eine solche Fragestellung kann am Horizont von gender studies als "Kulturwissenschaften" nie erscheinen. Nur Lesern, die gender studies als philosophisch unzureichend empfinden, werden sich die Mühe machen, einen ganz anderen Ansatz durchzudenken, der tiefer ansetzt. Durchdenken heißt nicht, daß man Ähnlichkeiten mit anderen Autoren feststellt und das entsprechende Phänomen dort bequem und ohne Anstrengung unterbringt ("Phallus? - Das ist Lacan!" oder "Der Andere? Ach, das ist Levinas!"). Interessierte Leser können meine ausführliche Kritik an Lévinas in meinem Aufsatz Worldsharing and Encounter: Heidegger and Lévinas nachschlagen. Es ist schade, daß die Schelte gegen den sog. "Heidegger-Jargon" in Deutschland immer noch kein Ende nimmt, denn von einem großen Denker und Lehrer wie Heidegger könnte man lernen. Rolf Löchel schließt sich zeitgeistgemäß dieser Schelte an. Es würde manchen deutschen Lesern durchaus gut tun, mit Sein und Zeit "aufzuwachsen", wie der Rezensent ironischerweise empfiehlt. Dann hätte mein Versuch vielleicht bessere Chancen, daß ihm die besondere Eindringlichkeit des Verstehens zuteil würde, die er verlangt. |
Köln, 17. Juni 1999 |