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Die Führung dieses Titels scheint über dem Wort Herausforderung
gleich mehrere Klingen zu kreuzen. Zum einen überkreuzt sie die Philosophie
und das Denken der Geschlechterdifferenz, zum andern führt sie feministische
Philosophie und das postmoderne Denken überkreuz. Aber wie der Titel
seine Satzglieder weniger Stirn an Stirn konfrontiert, als daß er
sie in einen Übergang führt, so soll hier das Wort Herausforderung
wie eine Kreuz- und Wendebewegung wirken, die eine Spanne durchläuft,
die ich als die von Moderne-Postmoderne kennzeichnen möchte.
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Wie wäre demnach die Philosophie durch das Denken der Geschlechterdifferenz
zu wenden, und wie wäre feministische Philosophie und ihr Anspruch,
das Subjekt 'Frau' zu konstituieren, wiederum so zu drehen, daß sie
den metaphysischen Fallstricken der Moderne entkommt? Es geht also nicht
um eine Herausforderung, sich durch neue Positionen zu überbieten,
sondern um ein Denken in Übergängen, dem es um Differenz zu tun
ist. Wie also unterscheidet sich das Denken der Geschlechterdifferenz -
etwa 'im Namen des Weiblichen'?
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Die Wendung 'im Namen des Weiblichen' spielt an. Sie spielt an auf
die Tradition der Philosophie und ihr Denken 'im Namen von', zugleich bewahrt
sie durch ihren unpassenden Zuschnitt eine Reserve dieser Tradition gegenüber.
Desgleichen spielt sie an auf den modernen Gestus des Überbietens
'im Namen von', tritt postmodern jedoch weder für eine Eigentlichkeit
des Weiblichen ein, noch erhebt sie Anspruch auf einen Subjekttitel. 'Im
Namen des Weiblichen' parodiert mithin. Das Wörterbuch kennzeichnet
die Parodie als übertriebene Nachahmung einer vorgegebenen Form mit
anderem, gewöhnlich unpassendem Inhalt. Zumeist eine komisch-satirische
Imitation einer ernsten Vorgabe, die ihren hohen Ton herunterstimmt. Denn
Parodie heißt auch Nebengesang, der sich neben der Hauptlinie intoniert
und durch seinen unreinen Zug die reine, hohe Stimmung verdirbt. Die Parodie,
so sagt man, entstehe vorwiegend in Umbruchzeiten. Sie ist der Ausdruck
eines Wechsels, eines Übergangs. Weder eine bloße Perpetuierung
des Alten noch sein völliger Umsturz schreibt sie sich ein in eine
Übergangs-Spanne - sie ist nicht mehr dasselbe -, indem sie kleine
Unterschiede macht, einen Spielraum kleiner Abweichungen eröffnet.
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Die Freiheit der Parodie liegt vermutlich darin, daß sie sich
nicht um eine neue Form zu kümmern braucht, sondern gleichsam von
Innen gegen die alte arbeitet. Man mag dies als Armut oder Schwäche
bezeichnen, der es an Kraft fehlt, mit dem Alten zu brechen und Neues an
seine Stelle zu setzen. Doch vielleicht sind im Falle der Philosophie Armut
oder Schwäche durchaus am Platze, zeichnet sich ihre Tradition nicht
zuletzt auch als eine Folge glückloser Überbietungen des Alten
im Namen neuer Wahrheiten aus. Postmodernes Denken ist sich dieser Armut
bewußt und nimmt sie an, darin unterscheidet es sich von dem Gestus
der Moderne.
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Wenn postmodernes Denken also nicht für einen neuen Namen sorgt,
ist das Verhältnis Moderne-Postmoderne nicht als eine einfache epochale
Abfolge zweier historischer Zeitabschnitte zu denken. Die zu Beginn erwähnte
Spanne von Moderne-Postmoderne besagte, daß es sich um die Bewegung
eines Umschlagens handeln soll. Dies meint daher keine progressive Figur,
die überbietet - wie der nach vorne gerichtete Vollzug der Moderne
-, sondern ist vielmehr als eine e)poxh/, ein
Anhalten, ein Innehalten des Vollzugs der Moderne selbst zu verstehen.
Das postmoderne Denken ist dasjenige, dessen Leistung darin besteht, im
Modernen selbst eine Armut einzuräumen. Eine Wendung, die den philosophischen
Gestus des Überbietens zurücknimmt, ihn abschwächt. Eine
Wendung der Philosophie mithin durch das "schwache" Geschlecht? 'Im Namen
des Weiblichen' spielt auch darauf an.
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"Neue Realitäten - Denken der Geschlechterdifferenz" ist die
Überschrift dieser heutigen Sektion. Postmodern konzediert ihr Titel
in der Verwendung des Plurals das Auseinanderfallen einer noch als einheitlich
zu erfassenden Realität, die Zerstreuung einer einfachen Wahrheit,
in der sich das enthüllt, was als Realität - Zitat - "in sich
selbst steht ..., was Widerstand leistet, was sich aufdrängt, was
auf permanente Weise und geregelte Weise verharrt, und dadurch auch das,
worauf man sich innerhalb definierter Grenzen verlassen kann" - so das
"Historische Wörterbuch der Philosophie" unter dem Stichwort "Realität".
Die Begriffsgeschichte des Wortes Realität beginnt in der Scholastik,
geht dort zurück auf das lateinische res: Sache, Gegenstand,
und bedeutet die Sachheit, die Wesenhaftigkeit einer Sache als solcher.
Wenn der traditionelle metaphysische lo/goj
seine Stärke daraus bezog, das Seiende im Ganzen, die Sachheit dessen,
was ist, zu fassen, dann hat das Denken der Differenz nicht mehr mit einem
Ganzen der Realität, mit einem Ganzen des Sinns zu tun. Sobald es
um Differenz geht, ist aber auch das Verhältnis, das es zu dem einnimmt,
was im Plural als "Neue Realitäten" bezeichnet wird nicht einfach
pluralistisch, indem es sich auf ein Nebeneinander verschiedener Realitäten,
verschiedenen Sinns richtet, sondern es zeichnet sich aus durch einen Sinn
für Übergänge. Dieser besagt, daß das Denken der Differenz
nicht den Sinn will - die Betonung liegt hier auf wollen, verweist also
auf eine antreibende Begehrensstruktur -, vielmehr ist es um Sinn besorgt,
trägt Sorge dafür, daß der Übergang statthat, daß
Offenheit waltet.
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Man kann sagen, daß das moderne Denken einen Sinn für
Grenzen hat. Denn es etabliert einen Diskurs, der von der Grenze aus über
die Bedingungen der Möglichkeit dessen geführt wird, was innerhalb
der Grenze dem Denken gegeben werden kann. Ein Zug der positiven, kritischen
Grenzziehung und Beschränkung nach innen, doch zugleich ein Eingeständnis
der Begrenztheit des Denkens selbst, das Zugeständnis eines Außerhalb,
das sich dem Denken entzieht.
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Die späte Moderne hat diese Grenze nicht nur kritisch, sondern
auch libidinös mit ihrem Begehren besetzt. Denn sie markiert den Rand,
an dem das Subjekt des Sinns jenen Exzeß erfährt, der es beschneidet,
an dem es übertroffen wird und sein Maß verliert. Ist das Subjekt
auf Sinn aus, ist es durch seinen Leib sinnhaft verflochten mit der Welt,
entbindet das moderne Denken über diesen Rand das Subjekt zu einem
Außerhalb seiner. Spanne des verlorenen oder ausstehenden Sinns,
den das Subjekt nicht aufhört zu begehren. Mangel, Wunde, Kastration
- die Psychoanalyse hat diese conditio des Subjekts in ihrer fundamental
geschlechtlichen Konsequenz verfolgt. Eine Folge, welche die Geschlechtlichkeit
des Subjekts herausführt außerhalb einer 'natürlichen'
Bestimmung des sexus oder der kulturellen Kontingenz von gender.
Dimension eines Schmerz und Erregung erzeugenden Einschnitts, jener namenlose
Exzeß auf Seiten des Subjekts - eigentlich namenlos, auch wenn man
ihm viele Namen gibt: Kastration der Mutter, Name des Vaters, Gesetz oder
Funktion des Phallus. Namenloser Rest, der abfällt und herausfällt,
bei der Konstitution des Subjekts.
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Ist dieser Einschnitt des Subjekts als Schwelle oder Übergang
zu veranschlagen, ohne daß er gleich Nahrung für neuen Sinn
abgibt, ohne daß das Subjekt nostalgisch die alten Namen wiederholt
oder sich in einer nicht endenden Trauerarbeit ob des ausbleibenden Sinns
verzehrt? Ist dieser Rest anders denn als Abfall oder als Verlorenes, an
dem das Subjekt mit seinem Begehren gebunden bleibt, als ein noch
zu denken, was dem Subjekt wieder eingeräumt wird? Nicht um es sich
anzueignen als neuen Sinn, sondern als Sinn für die Offenheit des
Übergehens, als Sinn für Differenz selbst? Eingeräumt wird
durch einen parodistischen Zug 'im Namen des Weiblichen', der den tragischen
Ton des modernen Subjekts herunterstimmt, um das Pathos des Verlusts endlich
zu verwinden. Denn der Rand ist nicht nur Wunde, sondern ebenso Offenheit
des Übergangs, an dem noch nichts verloren ist. Wenn das eigentliche
Werk des Eros das des Todes ist, wie Freud sagt, ist es dann sein uneigentliches
Werk, diese Spanne des noch offen zu halten? Uneigentlich - mithin
ein Beiwerk, das dem Subjekt wieder zugetragen wird?
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Als ein solches Beiwerk, Nebenwerk zu fungieren, ist seit je die
Bestimmung des Weiblichen gewesen. Als ein Parergon, das hilft, den Übergang
zwischen dem Innen und dem Außen zu bewerkstelligen und dabei selbst
marginal, nebensächlich bleibt. Wenn nun das postmoderne Denken der
Geschlechterdifferenz einen Diskurs über den Übergang zwischen
Innen und Außen führt und danach fragt, wie der Übergang
das Innen einräumt, bringt es damit wieder die Bewegung einer Differenz
ins Spiel - was auch bedeutet, jene parergonale Funktion des Weiblichen,
die vom traditionellen abendländischen Diskurs niemals eigens bedacht
worden ist, aufzugreifen.
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Aber zuvor, was ist ein Parergon? Das griechische Wort pare/rgon
wird übersetzt mit Nebenwerk, Nebensache, Zugabe, Beiwerk. Es bezeichnet
ein Supplement zum eigentlichen Werk - dem e/rgon.
"Der philosophische Diskurs wird immer gegen das Parergon sein.
Aber was wird es mit dem gegen auf sich gehabt haben. Ein Parergon
tritt dem Ergon, der gemachten Arbeit, der Tatsache, dem Werk entgegen,
zur Seite und zu ihm hinzu ...", (Die Wahrheit in der Malerei, 62.) formuliert
Derrida. Denn Spannung bewirkt es durch seinen nicht bloß beigegebenen,
gleichsam dazugestellten Charakter zum Ergon, sondern "... es fällt
nicht beiseite, es berührt und wirkt von einem bestimmten Außen
her, im Inneren des Verfahrens mit; weder einfach außen, noch einfach
innen; ...". (Die Wahrheit, 74.) Das Parergon hilft, das Ergon ins Werk
zu setzen und entfaltet seine größte Kraft in dem Moment, wo
es sich für das Werk verzehrt haben wird. Noch einmal Derrida: "...
das Parergon ist eine Form, deren traditionelle Bestimmung es ist,
sich nicht abzuheben, sondern zu verschwinden, zu versinken, zu verblassen,
in dem Augenblick, wo es seine größte Energie entfaltet." (Die
Wahrheit, 82.)
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Durch das Parergon wird das Ergon also bestätigt - wie etwa
durch einem Rahmen, der hilft, das Werk von einem Außen abzugrenzen.
Aufmerksamkeit des Betrachters beansprucht einzig das Werk, das seine Autonomie
vorführt und den Rahmen als Nebensache behandelt - so die traditionelle
Selbstinszenierung des Werks. Zieht man hingegen die Wirkung des Rahmens
mit in Betracht, der zwischen einem Außen und einem Innen vermittelt,
scheint das Parergon dem Ergon etwas zuzutragen, was seine Abgeschlossenheit,
seine Souveränität als Werk, in Frage stellt - es braucht einen
Rahmen. In gewisser Weise führt es also einen Mangel ein und supplementiert
ihn. Als Rand zwischen einem Innen und einem Außen markiert es auf
diese Weise eine Differenz - es unterscheidet sich, weder innen noch außen
operiert es dazwischen und wird verschwunden sein, wenn es das Ergon ins
Werk gesetzt hat.
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Die Parergonalität des Weiblichen läßt sich bereits
bei Platon auffinden. In der Funktion von xw/ra.
Sie ist nicht einfach zu übersetzen, das Wörterbuch gibt Stelle,
Örtlichkeit, Gegend, eine Person oder Sache umgebendes Stück
Land und Zwischenraum an, Platon selbst umschreibt sie mit einer Reihe
von Vergleichen. Xw/ra sei wie ein Behältnis,
eine Aufnahme, eine Amme des Werdens, eine Mutter, ein Ausprägungsstoff.
Xw/ra also nimmt das Seiende auf, gibt ihm eine
Statt, indem sie selbst zurücktritt und anderem durch ihr Ausweichen
Platz gewährt. Die traditionelle Philosophie hat niemals eigentlich
darüber gesprochen - lediglich in einer uneigentlichen, bastardhaften
Rede war es ihr möglich, xw/ra zuzulassen,
in jenem logi/sm% tini no/q%, dessen Platon
sich bedient, um über jenen Rest, der aus dem Rahmen der Philosophie
herausfällt, den sie aber gleichwohl benötigt, sprechen zu können.
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Und wenn die conditio moderna der Philosophie sich über
jene Funktion der Grenze bestimmt und das Subjekt einräumt über
das Zugeständnis des notwendigen Rests, der abfällt, wird auch
hier Weibliches als jener Rest abgefallen sein als etwas, das es wohl braucht,
über das es jedoch keinen lo/goj gibt.
Denn die sexuelle Differenz bemißt sich von jener reinen Grenze aus,
die das Subjekt der Logik des Phallus unterwirft. Rand der Kastration,
an dem die Transzendentalität des Phallus waltet als die Macht des
Verlusts, die den lo/goj beschneidet und durch
die das Begehren nach seinem verlorenen Objekt, das Begehren nach Sinn,
angebahnt wird.
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Von da aus wird es keine Differenz der Geschlechter geben. Wiewohl
die Fleischwerdung des Geistes auch hier in xw/ra
geschieht, mit Hilfe jener Funktion des Weiblichen, die der lo/goj
für die eigene Heraufkunft nötig hat. Denn xw/ra
geht schwanger mit ihm, gibt ihm statt, läßt anderes zu, indem
sie selbst ausweicht. So wenn Lacan schreibt: "Das bringt jene ursprüngliche
Beziehung zur Mutter zum Ausdruck, die schwanger geht mit jenem Anderen,
das diesseits des Bedürfnisses zu situieren ist, die es befriedigen
kann." (Die Bedeutung des Phallus, 127.) Es wiederholt sich hier die Eigentümlichkeit
des abendländischen Denkens, daß die sexuelle Differenz als
Weibliches interveniert und vernebensächlicht wird. In dieser Spanne
wird Weibliches das Beiwerk der Differenz geleistet haben, indem es unterscheidet
und anderes einräumt - jenes Schwangergehen mit dem Anderen -, damit
überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts. Ein Beiwerk für
den Eros, aber vor allem Markierung der Grenze des Subjekts als den Rand,
an dem, wie Lacan betont, "der Part des Logos mit der Heraufkunft des Begehrens
konvergiert." (Die Bedeutung des Phallus, 128.)
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Ein Philosophieren 'im Namen des Weiblichen' erfolgt also wieder
an diesem Übergang, für den es traditionell ohnehin zuständig
war. Es wiederholt das Beiwerk der Differenz, von dem die Philosophie zehrte,
ohne von ihrem Ergon, ihrem corpus zehren zu lassen. Ausgrenzung
der Differenz zu Lasten des Weiblichen, der Differenz als Weibliches, das
ihre Arbeit erledigt. Denn es war immer das Begehren der Philosophie gewesen,
sich durchzuhalten 'im Namen des Sinns'. Und selbst die Destruktion dieses
metaphysischen to/poj durch die Moderne hält
diesen leeren Platz reserviert. Würde also 'im Namen des Weiblichen'
nun umgekehrt vom Ergon der Philosophie zehren?
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Ich hatte eingangs den parodistischen Gestus von 'im Namen des Weiblichen'
betont und auf die Form der Parodie in ihrer Armut und Schwäche verwiesen,
wenn sie kein eigenes Ergon erstellt, sondern von ihm profitiert. Das heißt
auch, daß die Parodie durch einen parasitären Zug gekennzeichnet
ist. Denn sie zehrt von dem Ergon, nährt sich von ihm - ißt
mit, wie die wörtliche Übersetzung von parasitär heißt.
In seiner eher negativen Konnotation bedeutet es schmarotzen, nach fremden
Gütern lungern. Der parodistische Gestus 'im Namen des Weiblichen'
würde mithin auch durch eine solch parasitäre Neigung gezeichnet
sein, die von einem anderen zehrt. Ich möchte dazu an eine Stelle
bei Platon im "Symposion" erinnern, wo er diesen Zug des Weiblichen in
den Geburtsmythos von Eros einfließen läßt. Wie Sie wissen,
sind dessen Eltern Poros, das Mittel, der Weg, Sohn der Klugheit, und Penia,
die Armut und Dürftigkeit. Platon erzählt folgende Geschichte,
wie es zur Zeugung des Eros kam:
"Als Aphrodite zur Welt gekommen war, hielten die Götter ein Festmahl
und mit den anderen auch Poros, der Sohn der Metis. Nach beendigter Mahlzeit
kam Penia, eine Gabe zu erbitten - denn es ging hoch her - und lungerte
an der Tür. Poros nun, trunken vom Nektar - denn Wein gab es noch
nicht - begab sich in den Garten des Zeus und schlief schwer berauscht
ein. Penia aber, getrieben durch ihre Dürftigkeit, sann darauf, sich
durch List zu einem Kind von Poros zu verhelfen, legte sich zu ihm und
empfing Eros." (Symposion, 203b.)
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Ausgeschlossen vom Fest der Aphrodite lungert Penia an seiner Schwelle.
Wie ein Parasit verschafft sie sich in ihrer Armut ein Mittel, Poros, um
zu Eros zu kommen. Eros also das Produkt des erschlichenen Beischlafs der
Armut. Die philosophische Tradition hat aus Eros lieber den Sohn von Poros
machen wollen. Sie faßte den Eros in seiner a-poretischen Struktur.
Eros ist in der A-porie, das heißt er ist wege- und mittellos. Das
mütterliche Erbteil schwingt im alpha privativum lediglich
mit bei seiner expliziten Ausrichtung auf den Namen Poros. Warum diesen
Namen nicht verschieben zu dem der Penia? Die a)-pori/a
zu peni/a? Was vor allem bedeuten würde,
die Struktur des Begehrens, durch die sich Eros auszeichnet, zurückzunehmen.
Denn aus der Wegelosigkeit, dem Mangel heraus begehrt er das Objekt des
Guten, Schönen, begehrt Eros den Sinn. Doch die Armut räumt Poros
lediglich eine Schwäche ein, indem sie Poros in seiner trunkenen Sattheit
in seiner Stärke, seiner Klugheit schwächt - ein listiges Beiwerk
des "schwachen" Geschlechts am Rande des Festmahls der Götter. Eine
parasitäre Lust von Seiten des Weiblichen, was die philosophische
Tradition umdrehen wird in die parergonale Rolle des Weiblichen als xw/ra,
von dem das Ergon des Mannes zehrt.
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Es war zu Beginn davon die Rede, daß postmodernes Denken sich
seiner Armut bewußt ist. Denn es versteht sich als enteignetes Denken,
das heißt, es ist ohne ein Eigenes, ohne Namen und Subjekttitel.
Eine freiwillige Übernahme, ein gewollter Armutstitel, den es übernimmt.
Zugleich ist es dasjenige Denken, das in der Philosophie selbst jene Armut
einräumt und ihre Schwächung bewirkt, indem es parasitär
von dem zehrt, was man den corpus der Philosophie nennen könnte.
Nicht als ein nekrophiles Mahl - selbst wenn das Ende der Philosophie immer
wieder verkündet wird -, sondern als Versuch ihrer Öffnung. Anders
als das Denken der Moderne, dessen Begehren sich auf neue Namen richtet
- der Name oder zumindest sein to/poj bilden
das Objekt seines Begehrens -, suspendiert postmodernes Denken dieses Wollen
und ist um den Übergang selbst besorgt. In einer Art e)poxh/
des Sinns sorgt es für diesen Übergang als Offenheit. In einer
Haltung der Gelassenheit läßt sie Sinn ankommen, ohne ihn als
ein Objekt zu begehren. Dort ist auch das Denken der Geschlechterdifferenz
situiert. Denn anders als die Penia Platons trägt 'im Namen des Weiblichen'
keine Sorge um ein Kind von Poros - mithin Sorge um einen neuen Namen,
Begehren nach einem Objekt des Sinns -, sondern sorgt als das "schwache"
Geschlecht für die Offenheit der Philosophie, für das Denken
als Offenheit 'im Namen der Philosophie'.
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