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Diverse Writings 30

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Husserls Krisis:

Fragen an die transzendentale Phänomenologie(1)

Michael Eldred

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artefact text and translation
Cologne,
Germany

Last modified 06-Nov-2017
Version 1.0 October-November 2017
First put on site 06-Nov-2017
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Inhaltsverzeichnis

Als e-Broschüre

0. Abstract

1. Warum transzendentale Phänomenologie?

2. Warum die transzendentale Reduktion?

 3. Warum Immanenz und Transzendenz einer intentionalen Subjektivität? 

  4. Warum "strömt" das transzendentale (Zeit )Bewußtsein?

5. Warum Intersubjektivität?

6. Warum Subjektivität überhaupt?

 

0. Abstract

Das große Verdienst Husserls ist es, die vorgegebene Welt mit allen ihren Selbstverständlichkeiten, welche die modernen Wissenschaften alle als fraglose, empirische Basis voraussetzen, in Frage zu stellen, um davon ausgehend in einer durch universale Epoché bewerkstelligten Aussetzung der Welt diese in ihrem Sinn Schritt für Schritt phänomenologisch ausdrücklich zu konstituieren. Der vorliegende Aufsatz unternimmt den Versuch, den neuzeitlichen hermeneutischen Entwurf des Menschseins als Subjektivität – und damit auch Husserls transzendentale Phänomenologie – einer Kritik zu unterziehen. Die transzendentale Phänomenologie wird folglich mit einigen grundlegenden Fragen konfrontiert. Die Infragestellung betrifft in erster Linie eine kritische Prüfung des Phänomens des Bewußtseins überhaupt mit dem Ziel, es in die gemeinschaftlich geteilte Offenheit der dreidimensionalen, ursprünglichen Zeit jenseits des verkapselten Ich zu überführen und so zu erweitern, damit die Cartesischen Antinomien von Innerhalb und Außerhalb des Bewußtseins endlich genuin aufgelöst werden können. Damit muß eine sorgfältige Ausarbeitung und Auslegung der Phänomenalität des Werseins einhergehen – eine Aufgabe, die hier nur angedeutet wird durch Aufzeigung und Abweisung des bei Husserl konsequent durchgehaltenen, einseitigen Ansatzes beim Wassein. Die Alternative? Das Menschsein als zeitliches Wersein zu entwerfen und zu entfalten. Auf diese Weise wird die transzendentale Subjektivität Husserls verabschiedet. 

English: Husserl's great accomplishment is to have questioned the given world with all its obviousnesses that all the modern science presuppose as their unquestionable empirical basis. Starting from a suspension of the given world in a universal epoché, it is to be expressly constituted in its sense stepwise on a phenomenological path. The present study attempts to critique the modern hermeneutic casting of human being as subjectivity, and thereby also Husserl's transcendental phenomenology. It is thus confronted with a series of questions. The interrogation concerns primarily a critical examination of the phenomenon of consciousness with the aim of leading it over into the common, shared openness of three-dimensional, 'originary' time beyond the encapsulated Ego, thus widening its scope, so that the Cartesian antinomies of inside and outside are finally dissolved. This must be accompanied by a careful working-out and interpretation of the phenomenality of whoness –  a task that is here only indicated by demonstrating Husserl's consistently maintained approach through whatness and rejecting it. The alternative is to hermeneutically cast and unfold human being as temporal whoness. In this way, leave is taken from Husserl's transcendental subjectivity. 

1. Warum transzendentale Phänomenologie?

Dieser Aufsatz befaßt sich mit Husserls Krisis, nicht lediglich mit seinem letzten, unvollendeten Werk Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie: Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie,(2)  sondern ebenso mit zwei wesentlich verwandten Krisen, d.h. Entscheidungen bzw. entscheidenden Wendungen, die in diesem Werk vollzogen werden, nämlich, gegen die Naivität der modernen, objektiven Wissenschaften einschließlich der Psychologie, die alle die empirische Vorgegebenheit der Welt fraglos hinnehmen, und für den – an sich hermeneutischen – Entwurf des Menschseins als (transzendentaler) Subjektivität. Die Krisis gegen die Totalitäts- und Absolutheitsansprüche der modernen Wissenschaften soll die entscheidende Wendung einleiten zugunsten einer konsequenten und korrigierten Durchführung des Cartesischen Programms des neuzeitlichen Entwurfs des Menschenwesens als Subjekt, bei dem das Bewußtseinssubjekt als ein absolutes, apodiktisches Fundament dienen soll. Damit einhergehend soll sich ein alternativer, phänomenal angemessenerer Zugang zur menschlichen Psyche öffnen. 

In der Krisis hält Husserl in der Tat ein letztes ausgiebiges Plädoyer für seine transzendentale Phänomenologie, die vor einer ungeheuer großen Aufgabe steht, nämlich: der Vollendung der Philosophie und damit der Erfüllung des Telos des europäischen Menschentums.(3)  Sein Programm klingt Hegelscher als Hegel: 

... ist der Mensch Vemunftwesen (animal rationale), so ist er es nur, sofern seine ganze Menschheit Vemunftmenschheit ist — latent auf Vernunft ausgerichtet oder offen ausgerichtet auf die zu sich selbst gekommene, für sich selbst offenbar gewordene und nunmehr in Wesensnotwendigkeit das menschheitliche Werden bewußt leitende Entelechie. Philosophie, Wissenschaft wäre demnach die  historische Bewegung der Offenbarung der universalen, dem Menschentum als solchem 'eingeborenen' Vernunft. (Kr:13f §6) 
Die Geschichte des europäischen Menschentums beruht auf der Geschichte der Philosophie, in der die Vernunft sich entfaltet und teleologisch zu sich selbst komme – und zwar angeblich als die absolute Subjektivität des transzendentalen Ego. Der Unterschied zu Hegels Geschichtsphilosophie liegt darin, daß diese ein Werden des Geistes zu sich selbst als absolutem Geist, der den subjektiven und objektiven Geist vereinigt, aufzeigt. Bei Husserl hingegen bleibt das transzendentale Ego – bzw. die transzendentale Intersubjektivität, worauf ich zurückkommen werde – der absolute Ichpol, von dem aus der Sinn der Welt durch die Leistung der intentionalen Subjektivität konstituiert werden soll. 

Es ist nicht zu übersehen, daß Husserl mit seiner Bewunderung für den schrittweisen, soliden Fortschritt der neuzeitlichen Wissenschaften von Generation zu Generation aufgrund einer geteilten wissenschaftlichen Methode seine Herkunft als Mathematiker nicht verleugnen kann, auch wenn er mahnt, "jenes [...] aus der Bewunderung der mathematischen Naturwissenschaft herstammende und uns selbst als alte Erbschaft bestimmende Vorurteil müssen wir uns vom Leibe halten, als ob es sich unter dem Titel ego cogito um ein apodiktisches Axiom handle..." (CM:25 §10). Denn er strebt mit der transzendentalen Phänomenologie eine ähnlich unerschütterliche Apodiktizität an und bleibt damit dem Erbe der Aufklärung treu, die allerdings aus seiner Sicht einen naiven Rationalismus vertritt. Der transzendentale Phänomenologe als ein "philosophierende[s] ego" (Kr:275 §73) wird sogar zum Schluß des Werks "zu einem Leben in der Apodiktizität" (ebd.) berufen. Die Reduktion des natürlichen auf das transzendentale Ich bietet "gerade den gesuchten apodiktischen Boden, der jeden möglichen Zweifel absolut ausschließt", (Kr:79 §17) und ermöglicht so eine strenge Aufzeigung, d.h. eine Apodiktizität. Die Apodiktizität der transzendentalen Phänomenologie unterscheidet sich aber grundsätzlich von derjenigen der neuzeitlichen objektiven Wissenschaften. Denn diese setzen die alltägliche Lebenswelt als schlicht vorgegebenen Fundus empirischer Daten voraus und gehen von einer (Galileischen) apriori mathematisch-logischen Konstruktion aus, um gesetzmäßige Theorien zu bauen, über deren Richtigkeit dann die methodisch durchgeführte, empirische Erfahrung entscheiden soll. 

In seiner Skizze der historischen Entwicklung der neuzeitlichen Naturwissenschaft seit der Renaissance erwähnt Husserl allerdings nicht die entscheidende Rolle, welche die Aristotelische Ontologie der Bewegung mehr oder weniger stillschweigend dabei gespielt hat noch überhaupt den wichtigen Stellenwert, den das insistente Fragen nach dem Phänomen der Bewegung für die griechische Philosophie besaß – wie etwa in der grundsätzlichen Gegenüberstellung von Werden und Sein oder beim berühmten Aristotelischen Dreischritt von du/namij e)ne/rgeia und e)ntele/xeia. Auch die griechische Episteme war darauf aus, alle Arten von Bewegung unter die Herrschaft eines wissenden Vorausblicks zu bringen. In der Neuzeit wird dieser unbedingte Wille zur effektiven Macht über jede Art von Bewegung bzw. Veränderung 'selbstverständlich' und stillschweigend übernommen und dabei lediglich mathematisiert. 

Von Galilei stammt bekanntlich die Grundüberzeugung der modernen Physik und der Naturwissenschaften insgesamt, daß die Gesetze der Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben seien(4)  – eine Überzeugung, an der – axiomatisch gesetzt – vor allem in der heutigen Naturwissenschaft noch unbedingt festgehalten wird und die den Boden für die modernen Wissenschaften insgesamt bietet. In mathematischer Sprache werden Theorien entworfen, welche die empirische Faktizität der Lebenswelt als Daten zur Verifizierung/Falsifizierung der Theorie verwenden und damit umgekehrt diese Empirie theoretisch 'erklären'. Dies ist die sogenannte Galileische Mathematisierung der Welt. Die empirische Faktizität der Lebenswelt wird fraglos hingenommen als Datenlieferant für das wissenschaftliche Experimentieren. 

Husserl sieht deutlich, daß diese Fraglosigkeit der Lebenswelt schon für die objektiven Naturwissenschaften problematisch ist, aber sie wird gravierend, wenn die Methoden der objektiven Wissenschaften auf die Wissenschaft der Seele, d.h. auf die Psychologie, gedankenlos übertragen werden, was aber von Anfang an geschehen ist. Von Locke ausgehend versucht die neuzeitliche Psychologie irrigerweise, die objektiven Wissenschaften nachzuahmen, wobei die wissenschaftlichen Daten von einer als tabula rasa vorgestellten Psyche, "auf der die seelischen Daten kommen und gehen, irgendwie geregelt, so wie in der Natur die körperlichen Vorgänge" (Kr:64 §11), geliefert werden sollen. Der Dualismus von res extensa und res cogitans in Descartes entscheidendem, grundlegendem metaphysischen Entwurf bzw. als Blaupause für die Neuzeit hätte schon eine Warnung davor sein sollen, daß die Psyche eine eigene Seinsweise darstellt, die sich nicht mit der mathematisch-logischen Methode wissenschaftlich behandeln läßt. Die Probleme einer solchen "naturalistischen Psychologie" (Kr:68 §13) "machte[n] solche Schwierigkeiten, daß schon mit Berkeley und Hume eine paradoxe, zwar als Widersinn empfundene, aber nicht recht faßbare Skepsis erwuchs" (ebd.), die Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft mit der transzendentalen Subjektivität einer apriorischen Weltkonstruktion zu entkräften versuchte. 

Der Dualismus von res extensa und res cogitans übersetzt sich als die Dichotomie zwischen Ding und Seele, Objekt und Subjekt, Außen und Innen, die seit langem und bis heute eine scheinbar unerschütterliche Selbstverständlichkeit darstellt. Auch Husserl läßt diese metaphysische Subjekt/Objekt-Trennung bzw. -Grundunterscheidung letztendlich – wie wir weiter sehen werden – bestehen, wenn er reklamiert, daß die subjektive Psyche einer gesonderten wissenschaftlichen, Kants "mythische Konstruktionen" (Kr:116 §30) korrigierenden Herangehensweise bedarf, die er "transzendentalen Subjektivismus" (Kr:69 §13) bzw. transzendentale Phänomenologie nennt. Bei diesem Ansatz wird die Lebenswelt nicht mehr naiv und fraglos in ihrer Vorgegebenheit hingenommen, sondern "das an sich Erste ist die Subjektivität, und zwar als die das Sein der Welt naiv vorgebende und dann rationalisierende oder, was gleich gilt: objektivierende". (Kr:70 §14) 

D.h. die transzendentale, "zustandebringende Subjektivität" (Kr:70 §14) ist das, was die Lebenswelt zuerst sinnkonstituierend vorgibt, worauf dann die objektiven Wissenschaften erst ihre empirisch-mathematisch-logische Methode anwenden können, wobei ihre Ansprüche auf absolute Wahrheit beschnitten werden. Die naturalistische Psychologie kann dies nicht leisten, eben weil sie – wie die anderen neuzeitlichen Wissenschaften – die Lebenswelt als vorgegeben voraussetzt und hinnimmt, statt sie "als Gebilde einer letztfungierenden Subjektivität" (Kr:115 §29) selbst zustandezubringen, die mit dieser "weltkonstituierenden Leistung [...] sich selbst als menschlich, als Bestand der Welt, objektiviert". (Kr:116 §29) Von daher Husserls Forderung, "eine völlig neuartige Wissenschaftlichkeit, als transzendentale, auf die Bahn zu bringen." (Kr:70 §14) "Die radikale Weltbetrachtung ist systematische und reine Innenbetrachtung der sich selbst im Außen "äußernden" Subjektivität." (Kr:116 §29) Die "ganze [neuzeitliche] Geschichte der Philosophie" ist für Husserl "eine Geschichte der gewaltigen Spannungen zwischen objektivistischer und transzendentaler Philosophie, eine Geschichte der beständigen Versuche, den Objektivismus zu erhalten und in neuer Gestalt auszubilden, und andererseits der Versuche des Transzendentalismus, der Schwierigkeiten Herr zu werden, welche die Idee der transzendentalen Subjektivität und die von daher geforderte Methode mit sich führen". (Kr:71 §14) Somit besteht für Husserl die Aufgabe für die heute Philosophierenden darin, "die Teleologie in dem geschichtlichen Werden der Philosophie, insonderheit der neuzeitlichen, verständlich zu machen". (Kr:71 §15) 
 

2. Warum die transzendentale Reduktion? 

Um den Sinn der transzendentalen Reduktion aufzuklären, werde ich nun auch Husserls vorletztes Werk Cartesianische Meditationen(5) zusätzlich heranziehen, weil dort mehr dazu im Detail gesagt wird. Husserl hat vor, die transzendentale Phänomenologie so zu etablieren, daß sie die Fallstricke des Cartesischen Dualismus vermeidet, in die sich noch Kants Kritische Philosophie mit ihren Dingen an sich verfängt. Das Cartesische Problem ist nämlich, "[w]ie komme ich aus meiner Bewußtseinsinsel heraus, wie kann, was in meinem Bewußtsein als Evidenzerlebnis auftritt, objektive Bedeutung gewinnen?" (CM:86 §41) Husserls Lösung ist zu behaupten, "daß dieses ganze Problem widersinnig ist". Wieso? Weil Descartes "den echten Sinn der transzendentalen Epoché und der Reduktion auf das reine ego verfehlte" (CM:85 §41), indem er von dem natürlichen Menschen ausgegangen ist, der sich "im Raume" auffaßt, wo er ein "Außer-mir" hat (CM:86 §41). Dies ist aber eine petitio principii, die eine Außenwelt schon voraussetzt. Der natürliche Mensch mit seiner "Bewußtseinssphäre" (CM:85 §40) ist das falsche Ich. "Es bedarf also der bewußten Ausführung der phänomenologischen Reduktion, um dasjenige Ich und Bewußtseinsleben zu gewinnen, an das transzendentale Fragen als Fragen der Möglichkeit transzendenter Erkenntnis zu stellen sind." (CM:86 §41) Transzendentale Fragen fragen, wie das Bewußtseinsleben zur Welt transzendieren kann. 

Dafür muß das Ich des natürlichen Menschen auf das transzendentale Ich – einen "völlig 'uninteressierte[n]' Betrachter der Welt" (Kr:160 §45) – reduziert, d.h. zurückgeführt werden. Dabei wird die bereits vertraute, wohl bekannte, vorgegebene Lebenswelt zusammen mit allem Wissen davon und all ihren Selbstverständlichkeiten weggeräumt, und in der Schwebe einer Enthaltung gehalten, um von dem auf solche Weise reduzierten transzendentalen Ich aus durch seine Intentionalität auf die Welt sie als solche in ihrem "Seinssinn" (CM:86) neu oder vielmehr zum ersten Mal wissentlich-verstehend zu konstituieren. Es sind die in der Lebenswelt herrschenden Selbstverständlichkeiten, die einem echten, begründeten Verstehen von Welt im Weg stehen, und die durch die Reduktion auf die tranzendentale Subjektivität außer Kraft gesetzt werden sollen, um von ihr aus die Welt schrittweise als sinn-voll, d.h. verstehbar, zu (re)konstituieren. Und dabei: 

Transzendenz in jeder Form ist ein innerhalb des Ego sich konstituierender Seinssinn. Jeder erdenkliche Sinn, jedes erdenkliche Sein, ob es immanent oder transzendent heißt, fällt in den Bereich der transzendentalen Subjektivität als der Sinn und Sein konstituierenden. Das Universum wahren Seins fassen zu wollen als etwas, das außerhalb des Universums möglichen Bewußtseins, möglicher Erkenntnis, möglicher Evidenz steht, beides bloß äußerlich durch ein starres Gesetz aufeinander bezogen, ist unsinnig. Wesensmäßig gehört beides [wahres Sein und mögliches Bewußtsein] zusammen und wesensmäßig Zusammengehöriges ist auch konkret eins, eins in der einzigen absoluten Konkretion der transzendentalen Subjektivität. Ist sie das Universum möglichen Sinnes, so ist ein Außerhalb dann eben Unsinn. (CM:86 §41 vgl. CMP:33, 117) 
Die Bewußtseinssphäre der transzendentalen Subjektivität ist also allumfassend, und es gibt keinen 'Raum' für ein Außerhalb, worin sich Dinge an sich aufhalten könnten. Damit wiederholt Husserl in seiner eigenen eigentümlichen Begrifflichkeit sowohl Hegels als auch Heideggers Kritik am subjektiven Idealismus. 

Husserl aber behauptet, daß jeder Seinssinn überhaupt in der transzendentalen Subjektivität als ihre "intentionale Leistung" (CM:87 §41) "konstituiert" wird. Sein Anspruch gipfelt in der Aussage: 

Echte Erkenntnistheorie ist danach allein sinnvoll als transzendental-phänomenologische, die es statt mit unsinnigen Schlüssen von einer vermeinten Immanenz auf eine vermeinte Transzendenz, die irgendwelcher angeblich prinzipiell unerkennbarer 'Dinge an sich', vielmehr ausschließlich zu tun hat mit der systematischen Aufklärung der Erkenntnisleistung, in der sie durch und durch verständlich wird als intentionale Leistung. Eben damit aber wird jede Art Seiendes selbst, reales und ideales, verständlich als eben in dieser Leistung konstituiertes Gebilde der transzendentalen Subjektivität. Diese Art Verständlichkeit ist die höchste erdenkliche Form der Rationalität. (CM:87f §41) 
Das Ziel ist eine "Verständlichkeit" jeder Art von Seiendem – und nicht eine wirkkausale Erklärung –, die als "intentionale Leistung" der "transzendentalen Subjektivität" "als eben in dieser Leistung konstituiertes Gebilde" zustandegebracht wird. 'Verständlichkeit als...' sagt so viel wie 'hermeneutisch ausgelegt als...', obwohl Husserl darauf besteht, durchgehend von "Konstitution" zu reden, die aber als eine "phänomenologische Selbstauslegung" des Ego, die zugleich eine "aller seiner Konstitutionen und für es seienden Gegenständlichkeiten" ist, "die methodische Gestalt einer apriorischen" Selbstauslegung annimmt. (CM:87 §41) Demnach wäre die Konstitution aller möglichen Gegenständlichkeiten für das transzendentale Ego das Ergebnis einer Selbstauslegung dieses Ego in seinem bewußten intentionalen Gerichtetsein eben auf die jeweilige Gegenständlichkeit. Konstitution als Selbstauslegung also, d.h. Sinnkonstitution aus sich selbst heraus. "Konstitution" aber suggeriert 'aufstellen', 'gründen' oder gar 'ins Leben rufen', als würde das transzendentale Ich sogar das Seiende selbst ins Leben rufen. Damit widerspricht die Bedeutung des Worts 'Konstitution' dem Sinn der universalen, transzendentalen Epoché bzw. Reduktion. Denn 
... die Welt, genau so, wie sie früher für mich war und noch ist, als meine, unsere, menschheitliche, in den je subjektiven Weisen geltende, ist nicht verschwunden, nur daß sie während der konsequent durchgeführten Epoché im Blick steht rein als Korrelat der ihr Seinssinn gebenden Subjektivität, aus deren Gelten sie überhaupt "ist". (Kr:155 §41) 
Es ist 'lediglich' die Lebenswelt in ihrer anscheinend unerschütterlichen Selbstverständlichkeit und damit Vorurteilsbeladenheit, die durch "Selbstauslegung" des transzendentalen Ego zur "Vernunft", d.h. zur nachvollziehbaren hermeneutischen Verständlichkeit gebracht werden soll. Husserl sagt dies, wenn er auf die von der Philosophie zu leistende Letztbegründung zu sprechen kommt, denn er verlangt die "Verwurzelung jeder objektiven Welt in der transzendentalen Subjektivität [...], also die Welt als konstituierten Sinn konkret verständlich machen." (CM:141 §59) Sinn wird durch Auslegung, durch Hermeneutik konstituiert, und solche Hermeneutik ist nur phänomenologisch, wenn sie die Phänomene selbst – d.h. für Husserl intentionale Erlebnisse des Bewußtseins – vor Augen hat. Die Selbstauslegung des transzendentalen Ego ist also sinnkonstituierende, d.h. "Seinssinn-bildende" (Kr:172 §49) Auslegung der Apperzeption von sich (des Ego) selbst auf seinem intentionalen Gang durch die Phänomene selbst. 

Solche selbstauslegende, sinnkonstituierende Verständlichkeit nimmt die Gestalt eidetischer Intuition an, d.h. einer Anschauung der Eide, der Anblicke des Seienden als solchen. Jeder einzelne "Typus intentionaler Erlebnisse, der Wahrnehmung, der Retention, Wiedererinnerung, des Aussagens, des An-etwas-Gefallen-habens, Danach- strebens und dgl." (CM:71 §34) läßt sich auf eine allgemein gültige, eidetische "Wesensallgemeinheit" (CM:72 §34) zurückführen, womit entsprechend auch das transzendentale, intentional leistende Ego zu einem "Eidos Ego" (CM:73 §34) wird, das sich auf Wesensanblicke richtet. Auf diese Weise wird die Selbstauslegung des transzendentalen Ich zu einer "Wesensforschung" (ebd.) der eidetischen Intentionalitäten eines Eidos Ego. "Die eidetische Phänomenologie erforscht also das universale Apriori", (CM:74 §34) das vor jeder empirischen Erfahrung liegt und sie dadurch erst ermöglicht, indem die mannigfachen Erscheinungen im Bewußtsein in bereits bestehende Wesensanblicke synthetisiert werden. Die Selbstauslegung des transzendentalen Ego läuft auf einen schrittweise auslegenden Gang durch die intentionalen Gegenstände in ihrer vollen Phänomenalität hinaus, diese selbst damit eidetisch in ihrem Sinn konstituierend, bildend, stiftend, verstehend. 

Solche sinnstiftende Auslegung der eidetischen Phänomenalität setzt aber voraus, daß die Phänomene vom Bewußtsein erst überhaupt empfangen werden – eine Voraussetzung, wovon Husserl jedoch nicht spricht, da er auf die sinnkonstituierende Leistung der intentional gerichteten "fungierend-leistenden Subjektivität" (Kr:149 §38) fokussiert ist. Warum untersucht Husserl nicht die Offenheit und Empfänglichkeit der Subjektivität für die Welt? Lediglich im Kontext der intentionalen Erlebnisse von "realen Gegenständlichkeiten" (CM:53 §21) schreibt Husserl von "Leistungen einer bloß passiven Synthesis" (ebd.). Zumeist jedoch ist die Rede von der Konstitution von Sinn durch die transzendentale Subjektivität, niemals aber von ihrer Empfänglichkeit für einen hermeneutischen Sinn. 

Husserl beansprucht für seine transzendentale Phänomenologie eine tiefere Begründung als die, welche jede bisherige "apriorisch[e] Ontologie der realen Welt" leisten kann. Denn "ein derart ontologisches Apriori (wie das der Natur, der Animalität, der Sozialität und der Kultur) verleiht zwar dem ontischen Faktum, der faktischen Welt in ihren Zufälligkeiten eine relative Verständlichkeit, die einer einsichtigen Notwendigkeit des Soseins aus Wesensgesetzen, aber nicht die philosophische, d.i. die transzendentale Verständlichkeit." (CM:140 §59) Hiermit liefert Husserl auch implizite sein eingeschränktes Verständnis von Ontologie als apriori Gerüst verschiedener Seinsweisen wie Natur, Animalität, Sozialität und Kultur. Aber ist es allein die reduzierte transzendentale Subjektivität, die eine solche Begründung durch einen sinnauslegenden bzw.  stiftenden Gang durch die Phänomene selbst leisten kann? Hegels Logik z.B. ist auch ein denkerisch-ontologischer, schrittweise dialektischer Gang durch die einfach-abstrakten Phänomene "der realen Welt", der nicht von einem transzendentalen Bewußtseinssubjekt, sondern vom Denken selbst, ausgeht. Letztendlich müssen wir uns mit der Frage konfrontieren, ob alles Denken im Bewußtsein stattfindet, bzw. ob "mein[e] Bewußtseinssphäre" (CM:85 §40) der letzthinnige Ort alles Denkens ist, bzw. wie umfassend die Bewußtseinssphäre zu fassen ist. Bekanntlich hat ja Hegel das Ich als Ausgangspunkt für das philosophische Denken zurückgewiesen, während Heidegger sogar die Bewußtseinssphäre durch das Da ersetzt. Also müssen wir uns fragen, was Bewußtsein phänomenal eigentlich heißt – worauf ich zurückkommen werde. 

3. Warum Immanenz und Transzendenz einer intentionalen Subjektivität? 

Wir haben bereits gesehen, daß für Husserl "[j]eder erdenkliche Sinn, jedes erdenkliche Sein, ob es immanent oder transzendent heißt, [...] in den Bereich der transzendentalen Subjektivität als der Sinn und Sein konstituierenden [fällt]". (CM:86 §41) Es gebe nichts "außerhalb des Universums möglichen Bewußtseins". (ebd.) Von dieser Einsicht her stellt Husserl die gängige Unterscheidung zwischen Naturwissenschaft und Psychologie als eine zwischen äußerer und innerer Erfahrung in Frage: 
Naturwissenschaft soll auf äußerer, Psychologie auf innerer Erfahrung beruhen; in der ersteren sei die physische Natur, in der letzteren das psychische, das seelische Sein gegeben. Danach wird psychologische Erfahrung zu einem äquivalenten Ausdruck für innere Erfahrung. (Kr:223 §63) 
Eine solche Redeweise ist heute noch üblich, besonders die von der 'subjektiven Introspektion', bei der die Psyche den Blick auf ihr Inneres richtet und so "innere Erfahrungen" (ebd.) macht. Husserl wendet ein, daß schon "im natürlichen Dahinleben" "seiende Dinge, Steine, Tiere, Menschen" erfahren werden, und zwar in der Relativität von "bloß subjektive[n] Erscheinung[en]", und er fragt, "warum figuriert nicht die ganze strömende Lebenswelt sogleich mit dem Beginnen einer Psychologie als "Psychisches", und zwar als das erst-zugängliche Psychische [...]?" (ebd.) Und weiter merkt er an:
Natürlich ergibt es Unterschiede in der Weise der lebensweltlichen Erfahrung, ob man Steine, Flüsse, Berge erfährt oder ob man reflektierend sein Erfahren davon erfährt und sonstiges ichliches Tun, eigenes oder auch fremdes, wie das Walten im Leibe z.B. [...] aber ändert das etwas daran, daß alles Lebensweltliche offenbar ein "Subjektives" ist? (Kr:223 §63) 
Diese Zurückweisung einer gängigen, aber gedankenlosen, vom Cartesischen Dualismus stammenden Unterscheidung im neuzeitlichen wissenschaftlichen Denken stimmt mit der Insistenz darauf, daß es nichts "außerhalb des Universums möglichen Bewußtseins" gibt, überein. Trotzdem gibt es für Husserl stattdessen eine Unterscheidung zwischen immanenten und transzendenten intentionalen Erlebnissen bzw. Akten, wie wir seinen Ideen I entnehmen können: 
Unter immanent gerichteten Akten, allgemeiner gefaßt, unter immanent bezogenen intentionalen Erlebnissen verstehen wir solche, zu deren Wesen es gehört, daß ihre intentionalen Gegenstände, wenn sie überhaupt existieren, zu demselben Erlebnistrom gehören wie sie selbst. [...] Transzendent gerichtet sind intentionale Erlebnisse, für die das nicht statthat;... (Id:78 §38)(6)
In der üblichen Begrifflichkeit ist, was Husserl hier im Sinn hat, die Unterscheidung zwischen Selbstbewußtsein und Bewußtsein. Jenes verdankt sich "einer reflektiven Blickwendung" (Id:77 §38). Statt von Bewußtsein zu reden, zieht es Husserl zumeist vor, von einem "Erlebnisstrom" zu sprechen, in dem wie im "Reich Heraklitischen Flusses" (CM:51 §20) ständig intentionale Akte vollzogen werden bzw. intentionale Erlebnisse geschehen. Der Erlebnisstrom des tranzendentalen Ich kann sich 'immanent' auf sich selbst zurückbiegen und so reflektiv werden. Oder er kann sich selbst 'transzendieren', indem er sich auf etwas anderes als sich selbst, wie z.B. auf ein Ding, richtet. Diese Unterscheidung betrifft jede Art von intentionalem Erlebnis, nicht nur die Wahrnehmung, so auch etwa die Erinnerung, wenn das tranzendentale Ich sich an eine Erinnerung erinnert, d.h. "bei Erinnerungen an Erinnerungen" (Id:79 §38) 

Trotz seiner Warnung vor der "Rede von äußerer und innerer Wahrnehmung, der ernste Bedenken im Wege stehen," (Id:78 §38) spricht Husserl oft selbst von "äußerer Erfahrung" (z.B. CM:153 §62) oder von dem, "was [ich] in mir selbst finde" (ebd.), nämlich bei der "Selbstauslegung" (ebd.), wobei er auch häufig, aber nicht immer, das "in" in distanzierenden Anführungszeichen setzt. Diese sprachliche Ambivalenz zeigt eine Unklarheit des Denkens an, zumal 'immanent' bzw. 'transzendent' mit 'inner' bzw. 'äußerlich" annähernd synonym sind. Damit kommen wir auf die Frage nach dem, was Bewußtsein phänomenal eigentlich heißt, und vor allem auf die Frage nach dem Ort des Bewußtseins zurück. Wenn Bewußtsein intentionaler Erlebnisstrom heißt, und "[j]eder erdenkliche Sinn, jedes erdenkliche Sein, ob es immanent oder transzendent heißt, in den Bereich der transzendentalen Subjektivität als der Sinn und Sein konstituierenden [fällt]" (CM:86 §41), dann gibt es keine Möglichkeit, den Erlebnisstrom der transzendentalen Subjektivität zu verlassen, d.h. zu 'transzendieren'; alle intentionalen Erlebnisse ohne Ausnahme sind in diesem Sinn 'immanent', d.h. dem Erlebnisstrom innewohnend. 

Was phänomenal zu sehen ist, ist stattdessen die Unterscheidung zwischen Selbst und Anderes, denn die transzendentale Subjektivität kann ihren Erlebnisstrom entweder reflexiv auf sich selbst richten oder eben auf Anderes, ohne den Bereich des Erlebnisstroms verlassen zu müssen oder gar zu können. Alle Phänomene überhaupt erscheinen als ein Erlebnisstrom, der von der transzendentalen Subjektivität in ihrer Selbstauslegung sinnhaft verstanden werden kann. So ist aller Sinn des Seins der transzendentalen Subjektivität immanent; das Andere ist nur im Erlebnisstrom der transzendentalen Subjektivität, der eben in einem Verstehen ausgelegt wird. Die transzendentale Subjektivität mit ihrem Erlebnisstrom ist allumfassend, und es gibt kein Außerhalb-ihrer. In diesem Sinn gibt es keine Objektivität außerhalb bzw. gegenüber der transzendentalen Subjektivität, wohin sie transzendieren könnte, und insofern kann es keine transzendentale Phänomenologie geben. Die Rede von einem immanenten und transzendenten Erlebnis mit ihren Konnotationen von einer Art von Räumlichkeit ist zudem irreführend, denn die sog. 'transzendentale' Subjektivität ist ein vorräumlicher, ortloser 'Ort' ohne Außerhalb, und sie ist Subjektivität in dem Sinn, daß sie einem intentionalen Erlebnisstrom zugrunde liegt. 

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Erlebnisstrom, der sich auf sich Selbst bzw. auf den eigenen Erlebnisstrom richtet, und einem, der sich auf Anderes richtet, ist, daß der eigene Erlebnisstrom dem intentionalen Blick offen liegt, d.h. transparent und zweifellos ist. Die Selbstwahrnehmung bedarf im Prinzip nur der intentionalen Aufmerksamkeit, damit die Erfahrungen des Selbst in den auslegenden, verstehenden Blick kommen. Diese Transparenz gilt nicht für das intentionale Erlebnis von einem Anderen, denn selbst bei dem einfachsten Fall der sinnlichen Wahrnehmung eines Dings nehme ich nur die Vorderseite wahr, die Rückseite ist erst einmal verborgen und kann erst mit einer Änderung des Blickwinkels sinnlich wahrgenommen werden, während das Innere des Dings der sinnlichen Wahrnehmung überhaupt verborgen bleibt. Diese Intransparenz bzw. Verborgenheit gilt um so mehr für das intentionale Erlebnis eines anderen Ego. Der Andere bleibt mir grundsätzlich weitgehend verborgen – wie ich später genauer untersuchen werde. 

4. Warum "strömt" das transzendentale (Zeit)Bewußtsein?

In der transzendentalen Umstellung, sagt Husserl: "[...] nichts anderes soll uns interessieren als eben jener subjektive Wandel der Gegebenheitsweisen, der Erscheinungsweisen, der einwohnenden Geltungsmodi, welcher, ständig verlaufend, unaufhörlich im Dahinströmen sich synthetisch verbindend, das einheitliche Bewußtsein des schlichten "Seins" der Welt zustande bringt." (Kr:149 §38) Die intentionalen Erlebnisse strömen als eine Mannigfaltigkeit durch das tranzendentale Bewußtsein, das wiederum diese Mannigfaltigkeit in die Einheit eines intentionalen Gegenstandes als eines Selbigen synthetisiert, d.h. zusammenstellt. Ohne diese vereinheitlichende Synthesis der mannigfaltigen Erlebnisse gäbe es überhaupt keinen Gegenstand für das Bewußtsein, der eben dadurch in seinem Seinssinn konstituiert wird. 

Mit dem "Dahinströmen" jedoch wird schon die Zeitlichkeit des Bewußtseins angesprochen: 

Dahin gehören die Strukturen der phänomenologischen Zeitlichkeit. Schon wenn wir innerhalb des Bewußtseinstypus, der da Dingwahrnehmung heißt, verbleiben, verhält es sich so. Jeweils ist sie lebendig als ein Dahindauern, ein zeitliches Dahinströmen des Wahrnehmens und Wahrgenommenen. Dieses strömende Sich-fort-erstrecken, diese Zeitlichkeit ist etwas zum transzendentalen Phänomen selbst wesentlich Gehöriges. (CMP:17) 
Die Zeitlichkeit ist damit bei der transzendentalen Subjektivität wesentlich im Spiel und zwar als ein "Dahindauern", ein "Dahinströmen", und das nicht bloß im intentionalen Modus der Wahrnehmung. Solche dahinströmende Zeitlichkeit aber ist ein lineares Nacheinander und damit eindimensional. Eine solch erfahrene Zeitlichkeit entspricht der traditionellen Auffassung der Zeit, womit Husserl sich tendenziell nicht zufrieden geben will, obwohl seine Auslegungen der Zeit sich letztendlich nicht von einer eindimensionalen Zeit befreien – auch dann nicht, wenn er einer solchen Befreiung nahezukommen scheint. 

Betrachten wir die Sache näher. Husserl will eine "Universale Synthesis" in der "transzendentalen Zeit" (CM:43 §18) ausfindig machen, welche als "kontinuierliche[s] innere[s] Zeitbewußtsein" die "Grundform der Synthesis", nämlich, die "Identifikation" ermöglicht. (ebd.) 

Jedes Erlebnis hat seine Erlebniszeitlichkeit. Ist es ein Bewußtseinserlebnis, in dem als cogitatum (wie in der Würfelwahrnehmung) ein weltliches Objekt erscheint, so haben wir zu unterscheiden die objektive Zeitlichkeit, die erscheint, z.B. dieses Würfels, von der inneren Zeitlichkeit des Erscheinens (z.B. der des Würfelwahrnehmens). Dieses strömt dahin in seinen Zeitstrecken und  phasen, die ihrerseits kontinuierlich sich wandelnde Erscheinungen sind von dem einen und selben Würfel. Ihre Einheit ist Einheit der Synthesis, nicht überhaupt eine kontinuierliche Verbundenheit von cogitationes (gewissermaßen ein äußerliches Aneinandergeklebtsein), sondern Verbundenheit zu Einem Bewußtsein, in dem sich Einheit einer intentionalen Gegenständlichkeit als derselben mannigfaltiger Erscheinungsweisen konstituiert. (CM:43f §18) 
Was besagt diese längere Passage? Erstens, daß das Erscheinen etwa eines wahrgenommenen Gegenstands ein Strömen von kontinuierlich sich wandelnden Erscheinungen in Zeitstrecken und  phasen ist, so daß diese kontinuierlichen, eindimensionalen Zeitstrecken das Erscheinen im Bewußtsein wie auch seine Vereinheitlichung in einer Synthesis des Bewußtseins von einem intentionalen Gegenstand erst ermöglichen. Die Synthesis findet also innerhalb des inneren Zeitbewußtseins statt, wobei diese "transzendental[e] Zeit" (CM:43 §18) durch eine "passiv verlaufende Synthesis" (ebd.) – eine kontinuierliche Zusammenstellung von Jetztmomenten in einer Linie – konstituiert wird, so daß auch das transzendentale Bewußtsein eindimensional zeitlich bleibt. 

Zweitens besagt die Passage, daß eine objektive Zeit von einem inneren Zeitbewußtsein zu unterscheiden sei, wobei jene, wie wir aus seinen frühen Vorlesungen Zur Phänomenlogie des inneren Zeitbewußtseins(7)  lernen können, aus nichts anderem resultiert als "sukzessiven Aneinanderreihungen von Zeitfeldern zu der einen objektiven Zeit mit der einen festen Ordnung" (PhiZb:70 §32), wobei Zeitfelder aus Zeitstrecken um einen "Zeitpunkt" bestehen, der entweder ein Jetzt ist (aktuell), war (vergangen) oder sein wird (zukünftig). Diese zusammengestückelte objektive Zeit begründet eine "lineare Ordnung, wonach jede beliebige Zeitstrecke, auch die außer Kontinuität mit dem aktuellen Zeitfeld reproduzierte, ein Stück sein muß einer einzigen, bis zum aktuellen Jetzt fortlaufenden Kette" (PhiZb:71 §32), so daß jede Zeitstrecke des inneren Zeitbewußtseins "als Strecke innerhalb der einen und einzigen objektiven [linearen] Zeit bestehen muß". (ebd.) Insofern ist es jedoch irreführend, von einem inneren Zeitbewußtsein gegenüber einer vermutlich äußeren objektiven Zeit zu reden, denn auch diese objektive Zeit muß ein Zeitbewußtsein sein, auch wenn sie zusammengestückelt werden muß und damit direkt anschaulich ist wie die Zeitstrecke einer Wahrnehmungserfahrung. Wie wir bereits gesehen haben, hat das transzendentale Bewußtsein – wie eine Leibnizsche Monade – kein Außen und braucht deshalb auch keine Fenster. 

Alle einzelnen intentionalen Bewußtseinserlebnisse als ein Strömen von einer Mannigfaltigkeit von Erscheinungen werden in der Identität eines Gegenstandes synthetisiert. Aber nicht bloß das, "vielmehr ist das gesamte Bewußtseinsleben, wie wir schon vorweg gesagt haben, synthetisch vereinheitlicht," (CM:45 §18) indem es ein "universale[s] cogitatum" (ebd.) gibt, nämlich, "das universale Leben selbst in seiner offen unendlichen Einheit und Ganzheit," (ebd.) wobei "[d]ie Grundform dieser universalen Synthesis, die alle sonstigen Bewußtseinssynthesen möglich macht, das allumspannende innere Zeitbewußtsein [ist]." (ebd.) Damit entpuppt sich das innere – allerdings als linear aufgefaßte – Zeitbewußtsein als allumfassend für jedwedes Bewußtseinserlebnis. Dies kommt in der Krisis (Kr:170ff §49) in der Diskussion der "Zeitigung der Zeit" im Zusammenhang mit der "ursprünglichen Sinnbildung" besonders plastisch zum Ausdruck. Denn auch die Zeit muß ihre Sinnbildung haben – angefangen mit dem "Zeitmodus Gegenwart, der selbst horizonthaft auf die Zeitmodi Vergangenheit und Zukunft" (ebd.) verweist, wobei "das stehende Jetzt einen zweiseitigen, obschon verschieden strukturierten Horizont hat, unter den intentionalen Titeln Kontinuum von Retentionen und Protentionen," (ebd.) die wiederum die "ersten Vorgestalten von Zeitigung und Zeit" (ebd.) darstellen. Erst mit der Wiedererinnerung gibt es die ursprüngliche Sinnbildung einer Vergangenheit und mit der Erwartung die ursprüngliche Sinnbildung von Zukunft, "in der der Seinssinn des Künftigen als solchen entspringt," (ebd.) also "Anfänge neuer Dimensionen der Zeitigung" (ebd.). Dieser Durchgang durch die verschiedenen Zeitmodi gipfelt dann in der Aussage, 

daß alle Konstitution jeder Art und Stufe von Seiendem eine Zeitigung ist, die jedem eigenartigen Sinn von Seiendem im konstitutiven System seine Zeitform erteilt, während erst durch die allumspannende universale Synthesis, in der Welt konstituiert wird, alle diese Zeiten synthetisch zur Einheit einer Zeit kommen. (Kr:172 §49) 
Die transzendentale Sinnkonstitution von jedwedem Seienden als so-und-so verständlich wird demnach erst als Zeitigung ermöglicht, und zwar innerhalb der allumspannenden universalen Synthesis der transzendentalen Zeit selbst. 
Diese transzendentale Zeit denkt Husserl ausschließlich als ein lineares Nacheinander, als "Zeitstrecken", als "Dahindauern" usw., das die intentionalen Erlebnisse des transzendentalen Ich ordnet, so daß auch die zeitlichen Dimensionen der Vergangenheit und der Zukunft linear vor und nach der Gegenwart eingeordnet sind. "In der durch sie [Zeitigung und Zeit] fundierten Wiedererinnerung [als intentionaler Funktion] haben wir eine Vergangenheit — vergangene Gegenwart — in ursprünglicher Anschaulichkeit gegenständlich." (Kr:171f §49) Eine vergangene Gegenwart jedoch ist für Husserl ein Jetzt, das auf der zusammengestückelten, aber trotzdem kontinuierlichen Linie der "einen objektiven Zeit mit der einen festen Ordnung" nach hinten verschoben wird. Entsprechend ist auch die Zukunft eine "künftige Gegenwart" (Kr:172 §49) als ein Jetzt, das auf der kontinuierlichen Linie der objektiven Zeit nach vorne verschoben wird. 
Demnach wäre die allumfassende Zeit selbst die Synthesis der Mannigfaltigkeit der kontinuierlich im intentionalen Bewußtsein erscheinenden Jetztmomente, d.h. die verschiedenen Zeiten von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind für Husserl primär die intentionale Sinnleistung "kontinuierliche[r] Synthesen" (Kr.172). Nur auf ihrem Boden könne "die höherstufige Aufklärung der diskreten Synthesen" (ebd.) gelingen. Als Beispiel nennt er das Wiedererkennen als "die Identifikation eines Wahrgenommenen mit demselben, das, gemäß der Wiedererinnerung, schon früher da war" (ebd.). Diese diskrete Synthesis bzw. Identifikation von dem jetzt Wahrgenommenen mit dem wiedererinnerten damals Wahrgenommenen, d.h. dieses Wiedererkennen, bedarf aber einer transzendentalen Auslegung "durch kontinuierliche Wiedererinnerung" (ebd.)., Als müßte sie aktuell, d.h. in der Gegenwart, vom Ich noch einmal konstituiert werden, und zwar so, daß die vergangenen Zeitstrecken noch einmal jetzt kontinuierlich synthetisiert reproduziert werden. Aber ist das so? Müssen vergangene (oder künftige) Gegenwarten für die Wiedererinnerung noch einmal neu in der Gegenwart konstituiert werden, damit das Wiedererinnerte ins aktuelle Bewußtsein zurückgerufen wird? 
Oder ist es nicht eher so, daß in der Wiedererinnerung das intentionale Bewußtsein sich mit einem Satz in eine andere zeitliche Dimension – die der Vergangenheit – versetzt, die genauso wie die Gegenwart auch bereits da ist? (Ein solcher sprunghafte, diskontinuierliche, zeitliche Satz darf freilich nicht mit dem "Kontinuum von Retentionen und Protentionen" (Kr:171 §49) verwechselt werden.(8)) Für Husserl ist es selbstverständlich, daß dem intentionalen transzendentalen Ich der Horizont der Gegenwart zur Verfügung steht, innerhalb dessen aber die Horizonte von Vergangenheit und Zukunft für die Wiedererinnerung oder die Erwartung synthesiert werden müssen, als wäre jede Vergegenwärtigung von Vergangenem oder Künftigem ein Zurückholen derselben in das Jetzt einer aktuellen Gegenwart. Aber den Phänomenen selbst scheint es näher zu sein, daß das Bewußtsein sich intentional von der Gegenwart in die Vergangenheit oder Zukunft verlagern und sich insofern sprunghaft mit einem Satz entgegenwärtigen kann. Warum kann nicht das transzendentale Ich sich genauso gut auf die Vergangenheit oder die Zukunft wie auf die Gegenwart richten, und zwar so, daß diese drei zeitlichen Dimensionen ihm 'gleichzeitig' ohne weiteres mit einem Satz und nicht nur strömend für seine Intentionen zur Verfügung stehen?
Husserl geht zunächst einmal davon aus, daß das Bewußtsein sich intentional auf Aktuelles richten kann, ohne im mindesten die Frage nach dem zeitlichen Horizont der Gegenwart zu stellen. Er ist für Husserl selbstverständlich, ohne daß sein Sinn – wie diejenigen der Vergangenheit oder der Zukunft – erst hermeneutisch gebildet werden muß. Zeitdimensionale Sprünge für das reduzierte transzendentale Ich aber sind ausgeschlossen. Denn "[d]ie transzendentale Reduktion bindet mich an den Strom meiner reinen Bewußtseinserlebnisse und an die durch ihre Aktualitäten und Potentialitäten konstituierten Einheiten" (CM:91 §42), d.h. das transzendentale Ich ist fixiert auf das strömende Jetzt und seine zeitlich nahe Umgebung. Auch Husserls Bevorzugung der Wahrnehmung als "Urmodus" (Kr:223 §63) des intentionalen cogito verrät ein altes metaphysisches Vorurteil, denn die Wahrnehmung findet sinnlich in der Gegenwart statt, während etwa die Wiedererinnerung für Husserl des Zurückholens einer vergangenen Gegenwart in die Gegenwart bedarf. Sein heißt ja metaphysisch in erster Linie sinnliche Anwesenheit. 
Dieses, Husserl selbst verborgene, alte metaphysische Vorurteil führt ihn auch bei der Betrachtung des "allumspannende[n] innere[n] Zeitbewußtsein[s]" im Verhältnis zu seinem "Korrelat", der "immanente[n] Zeitlichkeit" in einen "unendlichen Regreß" (CM:45 §18), den er erwähnt, ohne allerdings darauf näher einzugehen. Er soll darin bestehen, daß beim Versuch, eine "Unterscheidung zwischen Zeitbewußtsein und Zeit selbst" (ebd.) vorzunehmen, "diese [verschiedenen temporalen] Erscheinungsweisen des inneren Zeitbewußtseins selbst intentionale Erlebnisse sind und in der Reflexion wieder notwendig als Zeitlichkeiten gegeben sein müssen" (ebd.). Aber, wie wir bereits gesehen haben, genauso wie es kein Sein außerhalb des Bewußtseins (der transzendentalen Subjektivität) gibt (s.o. Zitat CM:86 §41), gibt es auch keine Zeit außerhalb des Zeitbewußtseins und deshalb auch keine Möglichkeit eines unendlichen Regresses, der angeblich aufzuklären wäre durch eine Auslegung des "Auf-sich-selbst-intentional-zurückbezogen-Seins" (CM:46 §18) des Ego. Anders und schlichter gesagt: Husserl sieht nicht, daß der (meinetwegen: transzendental-intentionale) Sinn von Sein die Zeit selbst ist, und daß dieser (intentionale) Sinn innerhalb des Bewußtseins (eigentlich: des Da der dreidimensionalen Zeit) der transzendentalen Subjektivität konstituiert ist, so daß keine "Unterscheidung zwischen Zeitbewußtsein und Zeit selbst" zu machen ist. Bewußtsein und Zeit sind dasselbe. 
Beim Abschied von der eindimensionalen, linearen Zeit, woran Husserl durchgehend festhält, bedeutet die 'gleichzeitige' Verfügbarkeit von drei unabhängigen zeitlichen Dimensionen, daß die drei zeitlichen Dimensionen gleichursprünglich und unabhängig voneinander sind, so daß die Vergangenheit nicht bloß als vergangene Gegenwart und die Zukunft nicht bloß als künftige Gegenwart ausgelegt, und so in eine kontinuierlich, lineare, 'ordentliche' Uniformität gebracht werden könnten. Das intentionale transzendentale Ich kann mit einem Satz die Vergangenheit oder die Zukunft intendieren, ohne dabei die Gegenwart intentional zu verlieren. Und dies ist auch wesensnotwendig, sollte das Wiedererkennen möglich sein, denn die doppelte Intentionalität erforderte die eigenartige Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart, um die Identifikation zu konstituieren. 
Eine alternative Sprache ist notwendig, um diese nun genuin dreidimensionale zeitliche Phänomenalität zu einem klareren Verständnis zu bringen. Die Vergangenheit als "vergangene Gegenwart" oder die Zukunft als "künftige Gegenwart" zu entwerfen, verleiht einerseits der Gegenwart bzw. der Anwesenheit den Vorzug, als wäre die Vergangenheit eine Gegenwart, die nicht mehr ist, sondern eben 'vergangen' ist, und als wäre die Zukunft eine Gegenwart, die noch nicht in der Gegenwart angekommen ist. Aber Vergangenheit und Zukunft sind beide Modi der Abwesenheit, die jeweils in sich selbst – ohne Verweis auf die Gegenwart – ein eigener Modus der Anwesung sind. Die Vergangenheit ist entzogene Anwesenheit, die keine vergangene Anwesenheit voraussetzt, die Zukunft ist vorenthaltene Anwesenheit, die keine künftige Anwesenheit voraussetzt. Anders gesagt: weder Vergangenheit noch Zukunft müssen durch die Gegenwart fließen, als wäre die Zeit selbst ein Fluß. 
Wenn ich z.B. nach einem bestimmten Buch in meinen Bücherregalen suche, ist das Buch als so-und-so verstanden für mich intentional abwesend, es fehlt mir, es west gegenwärtig nicht an, sondern ab, seine Anwesenheit ist mir entzogen, aber meine intentionale Erinnerung an dieses bestimmte Buch setzt nicht unbedingt voraus, daß ich das Buch als so-und-so verstanden jemals in meinen Bücherregalen hatte. Die Erinnerung ist nicht notwendig eine Wiedererinnerung, weil die Erscheinung des Buchs als als so-und-so verstanden bzw. ausgelegt in der temporalen Dimension der Vergangenheit (besser: Gewesenheit) eine eigene Selbstständigkeit besitzt. Ich kann mich auch an ein historisches Ereignis wie den ersten Weltkrieg als so-und-so verstanden ausgelegt erinnern, ohne jemals dabei gewesen zu sein, und ohne daß meine Auslegung heute mit irgendwelchen früheren Auslegungen desselben historischen Ereignisses übereinstimmt. (Solche historischen Ereignisse bleiben in ihrer Auslegung unendlich hermeneutisch formbar, und wie sie jeweils interpretiert werden, hängt vom Geist des jeweiligen Zeitalters ab, der sich so sehr verändern kann, daß frühere Auslegungen desselben historischen Ereignisses fast unverständlich oder völlig implausibel werden. Wie wenn z.B. ein Zeitalter nicht mehr an göttliche Sendungen glauben kann – d.h. wenn sie vom hermeneutischen Entwurf eines Zeitalters her nicht mehr als solche verstanden werden können –, so daß sie als solche zum Unsinn bzw. völlig anders gedeutet werden.) Oder ich kann z.B. eine Geschichte lesen, die vor zweihundert Jahren spielt, ohne daß diese Geschichte sich jemals in einer Gegenwart abgespielt hatte. Trotzdem bin ich intentional auf die zeitliche Dimension der Gewesenheit und auf ein Ereignis damals als so-und-so dargestellt gerichtet. 
Auf ähnliche Weise kann ich in der Gerichtetheit auf die Zukunft z.B. die Lieferung eines bestimmten bestellten Buchs erwarten, d.h. seine leibhafte Anwesenheit bei mir ist vorenthalten, aber die Erwartung als solche setzt nicht voraus, daß das bestellte Buch als so-und-so intentional erwartend-erscheinend dann-und-dann oder jemals bei mir ankommt, sondern hat ihre eigene Selbstständigkeit als Modus der Anwesung als abwesend. Dies gilt um so mehr für die Hoffnung oder das Wünschen, die beide intentional auf die zeitliche Dimension der Zukunft gerichtet sind, ohne daß dies als eine noch-nicht Gegenwart aufzufassen wäre, denn die so-und-so verstandene Zukunft kann nicht nur anders in der Gegenwart ankommen, sondern auch völlig unabhängig von einer irgendwie möglichen Gegenwart entworfen sein, wie z.B. in einer science-fiction Geschichte, oder auch wenn verschiedene Szenarien für die Zukunft als denkbar möglich skizziert werden. 
Diese dreidimensional-ekstatische, ursprüngliche Zeit bietet die Offenheit dafür, daß Seiendes überhaupt an- und abwesen kann, und zwar dabei ohne auf ein ordentliches Nacheinander in einer eindimensionalen, linearen Zeit angewiesen zu sein. Die Abwesung eines Abwesenden hat zwei Möglichkeiten, nämlich als entzogene Anwesenheit und als vorenthaltene Anwesenheit, und das transzendentale Ich muß alle drei zeitlichen Möglichkeiten von An  und Abwesung als solche in einer 'Gleichzeitigkeit' verstehen, bevor es irgendein intentionales Erlebnis verstehen kann. Denn selbst dann, wenn es sich intentional auf ideale Gegenstände wie Zahlen richtet, werden sie in einer Gegenwart vergegenwärtigt und sind deshalb in diesem Sinn zeitlich. Deshalb kann selbst Husserl sagen, daß ideale Gegenstände wie 'ewig' gleichbleibende "Zahlengebilde" (CM:130 §55) nicht an einer "Überzeitlichkeit" (ebd.) sondern an einer "Allzeitlichkeit" (ebd.) teilhaben, indem sie "an jeder beliebigen Zeitstelle" (ebd.) wiederholt vergegenwärtigt werden können, wobei freilich seine Auffassung der Zeit linear bleibt. 

5. Warum Intersubjektivität? 

Man könnte erwarten, daß es in der transzendentalen Phänomenologie der Intersubjektivität in erster Linie darum ginge, den intentionalen Sinn des 'Inter ', d.h. des Zwischen, dieser Intersubjektivität aufzuklären, aber dies ist nicht so. Vielmehr geht es um das Phänomen des Anderen, zunächst wie er in Husserls stets bevorzugtem intentionalen Modus der sinnlichen Wahrnehmung in der Gegenwart und 'selbstverständlich' in der dritten Person erscheint. Mit diesem Zugang wird der Andere erst einmal genötigt, sich als raumzeitliches Körper-Ding, d.h. als Was, jetzt und dort, sinnlich zu präsentieren. Mit der körperlichen Präsentation des Anderen wird dieser original wahrgenommene Körper dort dann analog als Leib eines Anderen appräsentiert, d.h. mitpräsentiert und im Bewußtsein vergegenwärtigt. Appräsentation heißt hier, daß auf der Grundlage des sinnlich präsentierten Körpers ein nicht unmittelbar Wahrgenommenes, sondern Verborgenes – hier der Andere – als leibkörperliches Ich mit seiner eigenen, primordialen Eigenheitssphäre bloß mittelbar erschlossen wird. Ähnlich wie bei der Wahrnehmung eines Gegenstands nur die Vorderseite eigentlich präsentiert wird, während sich die sinnlich unsichtbare, verborgene Rückseite in einer Appräsentation mit bzw. hinzu präsentiert, d.h. aber unsinnlich zur Erscheinung kommt. (vgl. CM §50). 

Der wahrnehmende Blick des 'eigenheitlichen' (vgl. CM §44ff) Ego in seiner "Originalsphäre" (CM:107 §47) hier erblickt den Anderen als Gegenstand in der dritten Person auch dann, wenn der Körper des Anderen dort als sein Leibkörper appräsentativ erschlossen ist. Mit dieser appräsentativen Veränderung des intentionalen Erlebnisses von Körper zum Leib verwandelt sich zugleich der zunächst als Was wahrgenommene Andere zu einem Wer, worüber aber Husserl nirgends ein Wort verliert. Der Andere als anderes Ego wird appräsentativ zunächst als eine Spiegelung meines eigenen Ego, d.h. als alter ego, analogisch erschlossen, denn der Andere als anderer Erlebnisstrom kann grundsätzlich in meiner "Eigenheitssphäre" (CM:95 §44) niemals erscheinen, er bleibt ihr grundsätzlich entzogen und so verborgen. Meine Eigenheitssphäre in der Eigenheitsreduktion wiederum umfaßt meinen Erlebnisstrom insoweit, als er sich intentional reflexiv auf sich selbst als auch auf Anderes richtet, nur daß eine sinnkonstituierende Gerichtetheit auf "fremde Subjektivität" (ebd.) zunächst grundsätzlich ausgeklammert bleibt. Diese Epoché, die von jeglicher fremden Subjektivität abstrahiert, um das eigenheitliche, psychophysische "Menschen-Ich" (CM:96 §44) des "Mir-Eigene[n]" (CM:97 §44) zu erlangen, ist allerdings nicht so radikal wie die transzendentale Subjektivität überhaupt (vgl. CM §45), die sich der vorgegebenen Welt insgesamt enthält, aber sie ist notwendig, um von der Eigenheitssphäre aus den Anderen als Anderen schrittweise sinnstiftend zu erschließen. 

Wenn ich andere Menschen eigenheitlich reduziere, so gewinne ich eigenheitliche Körper, wenn ich mich reduziere als Menschen, so gewinne ich meinen Leib und meine Seele, oder mich als psychophysische Einheit, in ihr mein personales Ich, das in diesem Leib und mittelst seiner in der Außenwelt wirkt, von ihr leidet, und so überhaupt vermöge der beständigen Erfahrung solcher einzigartigen Ichbezogenheiten und Lebensbezogenheiten mit dem körperlichen Leib psychophysisch einig konstituiert ist. (CM:99f §44) 
Die Unterscheidung zwischen Körper und Leib bei Husserl besagt bekanntlich, daß der Leib ein Körper ist, der vom Ich als Gesamtorgan seiner physischen Beweglichkeit in jeglicher Hinsicht in Besitz genommen worden ist, so daß alle seine Bewegungen 'ichlich' sind und alle Teile seines Körpers als Organe des Ich funktionieren. So wird der eigene bloße Körper zu meinem Leib, über den ich ichlich verfüge. Unmittelbar habe ausschließlich ich selber Zugang zu meinem eigenen Leib, und zwar durch die sinnlich wahrgenommenen Kinästhesen, die keinem Anderen zugänglich sind. Nur ich selber kann z.B. meinen eigenen körperlichen Schmerz empfinden. Entsprechend habe auch ich keinen unmittelbaren Zugang zum Körper des Anderen als Leib, sondern kann sowohl diese 'Leibhaftigkeit' des anderen Körpers als auch den leiblichen Anderen in seiner eigenen eigenheitlichen Ichsphäre mit seinem eigenen Erlebnisstrom nur analogisch von mir aus erschließen. Was Husserl auch "analogische Apperzeption" (CM §50) nennt, durch die ich das andere Ich bei seiner reflexiv-intentionalen Hinwendung auf sich selbst bzw. auf seinen eigenen Erlebnisstrom, der mir grundsätzlich verborgen bleibt, analogisch erschließe. 

Die analogische Appräsentation bzw. Hinzuanwesung des Anderen als Anderen wird durch meine Wahrnehmung des Anderen "im stetigen Wechsel des Gebarens von Phase zu Phase" (CM:117 §52) schrittweise aufgebaut, sofern dieses Gebaren "stimmt" (ebd.), d.h. das wahrgenommene Gebaren stimmt mit dem eigenen Gebaren als einem eigenheitlichen Ich in einem Verhältnis der Ähnlichkeit überein. Das Verhalten des Anderen ist plausibel als Verhalten eines anderen Ich – etwa wie ich mich selber verhalten würde, wenn ich dort wäre – und kann deshalb analogisch als solches in meinem eigenen Erlebnisstrom hinzu präsentiert werden. 

Husserl zieht einen Vergleich zwischen der Konstitution der eigenen Vergangenheit durch die "Wiedererinnerung" (CM:118 §52) und der Konstitution des fremden Ego mit dem Unterschied, daß, während meine Vergangenheit innerhalb meiner originalen Eigenheitssphäre konstituiert wird, das fremde Ego nur appräsentativ "in meiner primordinalen Sphäre" (ebd.) konstituiert werden kann. (Was heißt hier "in"?) Dabei geht Husserl davon aus, daß "meine Vergangenheit nur durch Erinnerung gegeben, und in ihr als das, als vergangene Gegenwart, d.i. als intentionale Modifikation charakterisiert" (ebd.) ist. Dies setzt natürlich voraus, daß i) ich mir selber bei der Wiedererinnerung nicht verborgen bleibe und ii) die Wiedererinnerung nur die Wieder-Holung einer vergangenen Gegenwart ist. Bei der ersten Voraussetzung soll ein möglicher Defekt in der Wiedererinnerung durch "Einstimmigkeitssynthesen" (ebd.) behoben werden, während die zweite Voraussetzung von grundsätzlich fragwürdiger Natur ist, wie bereits im vorigen Abschnitt besprochen worden ist. Die eigene Vergangenheit (besser: Gewesenheit) ist – im Gegensatz zu Husserl und so anders gesagt – stets eine, die wiederholt neu von der Gegenwart aus durch einen zeitlichen Satz in eine andere zeitliche Dimension hermeneutisch entworfen wird, und die zu mir als sichentwerfendem Wer gehört, d.h. mit der ich mich identifiziere. Denn ich bin nicht bloß ich jetzt in der Gegenwart, sondern eine zeitlich erstreckte Geschichte mit Brüchen und Neuauslegungen, die bis zu meinem Tod nicht abgeschlossen ist und dann als meine Geschichte zur hermeneutischen Aufgabe Anderer wird. 

Die analogische Appäsentation des Anderen als alter ego für Husserl geht von der raumzeitlichen Wahrnehmung seines Körper-Dings aus, das sich dort und jetzt befindet. Dies scheint der gangbarste, offensichtlichste Weg für die phänomenologische Sinnkonstitution zu sein, worauf sich dann die Konstitution höherer Stufen (vgl. CM §56) aufbauen kann. Das epochal reduzierte Menschen-Ich stellt sich erst einmal dumm, um dann von dieser Unwissenheit aus, den Anderen als anderes Ich von dem anscheinend einfachsten Zugang zu ihm durch die raumzeitliche sinnliche Wahrnehmung zu einer appräsentativen Anwesung zu bringen. Dies geschieht durch die assoziativ sinnkonstituierende "Paarung" (CM §51) meines Ich mit dem Anderen als einem alter ego. Solche Paarung kann sich beliebig wiederholen, um "in weiterer Folge als Gruppe, als Mehrheit" (CM:115 §51) durch "Sinnesübertragung" (CM:116 §51) die eigenheitliche Sphäre zu einer "Monadengemeinschaft" (CM:109 §19) zu erweitern. Meine primordiale Eigenheitssphäre ist meine eigene Welt, die Husserl auch "Monade" (CM:120 §53) nennt. Meine Konstitution des Anderen als Anderen von der "Originalsphäre" (ebd.) meiner eigenen Monade aus erschließt diesen Anderen analogisch als ein anderes Ich mit wiederum seiner eigenen Originalsphäre, primordialen Welt, Monade. Diese Monade des Anderen wird so als Monade in meiner eigenen Monade assoziativ erschlossen und eingeschlossen. So teilt nach Husserl die eigene Monade mit der anderen eine "gemeinschaftlich[e]  Welt" (CM:124 §55). 

Damit wird ersichtlicher, was Husserl überhaupt unter Intersubjektivität versteht, nämlich, die gemeinschaftliche Teilung einer Welt. Nachdem der Andere als anderes Ich durch analogische Appräsentation zusammen mit seiner eigenen Weltmonade konstituiert worden ist, die von meiner eigenen Weltmonade umschlossen wird, geht Husserl dazu über, andere "intersubjektive[n] Gemeinschaftlichkeiten" (CM:123 §55) durch die eigenheitlichen Monaden intentional konstituieren zu lassen. "Gemeinschaftlichkeit" heißt dabei stets das Teilen einer gemeinsamen Welt. Das "Fundament" dafür ist "die Gemeinsamkeit der Natur in eins mit derjenigen des fremden Leibes und fremden psychophysischen Ich in Paarung mit dem eigenen psychophysischen Ich." (ebd.), d.h. die physische, raumzeitliche Welt durch die Paarung mit dem fremden Ich ergänzt, wird als Ausgangspunkt für die Konstitution aller "höferstufigen" gemeinschaftlichen Welten genommen. Diese bleiben freilich unpersönliche Welten in der dritten Person, in denen der Andere – obwohl ein Werseiender – selbst dann nur von Außen intentional erlebt wird, wenn seine Eigenheitssphäre analogisch erschlossen wird, so daß ein fremdes Ich nach wie vor fremd im Sinne von unpersönlich bleibt. Husserl geht so in seinem gewollten, absolut apodiktischen Gang davon aus, daß das Seiende überhaupt einschließlich des Anderen als anderes Ego 'ursprünglich' nur in der dritten Person – und nicht etwa im Umgang mit ihm – sinnkonstituierend verstanden werden kann, was eine geschichtlich-kulturell bedingte Abständigkeit gegenüber dem Anderen bezeugt, wie unten weiter ausgeführt werden soll. 

Das Menschen-Ich kann nach der analogischen Erschließung des Anderen zunächst nur davon ausgehen, daß das fremde Ich sich auf die selbe 'nackte', natürliche Welt intentional richtet wie es selbst. Diese Gemeinschaft soll dann die Basis dafür bilden, daß "höherstufig[e] Weltlichkeiten" (CM:128 §55) wie "Menschen- und Kulturwelt" (ebd.) darauf aufbauend auch gemeinschaftlich geteilt werden, allerdings ohne daß sie miteinander geteilt werden. Bei dieser Gemeinschaftlichkeit wird eine "Scheidung zwischen meiner primordinalen Sphäre und der nur vergegenwärtigten des Anderen" (CM:127 §55) auch gerade dadurch aufrechterhalten, daß die andere Monade mir grundsätzlich entzogen und so verborgen bleibt. Selbst dann, wenn es "zur Einfühlung von bestimmten Gehalten der höheren psychischen Sphäre" (CM:123 §54) und zu einem "gelungene[n] Einverstehen in den Anderen" (ebd.) kommt, bleibt der Zugang zum fremden Anderen nicht nur analogisch vermittelt, sondern auch drittpersönlich. Dies gilt auch weiterhin, wenn die Einfühlung und das Einverstehen durch "paarende Assoziation" (ebd.) als wechselseitig betrachtet wird und "das eigene Seelenleben nach Ähnlichkeit und Andersheit" (ebd.) auch vom Anderen erschlossen wird. 

Selbst dann, wenn Husserl dazu kommt, von einer "Menschengemeinschaft" (CM:133 §56) und in diesem Zusammenhang von einem "Wechselseitig-für-einander-Sein" (ebd.) zu sprechen, erschöpft sich dieses Füreinander darin, daß, wenn ich "einverstehend" in die monadische Eigenheitssphäre des Anderen "eindringe", ich lediglich darauf stoße, "daß, wie sein Körperleib in meinem, so mein Leib sich in seinem Wahrnehmungsfeld befindet und daß er im allgemeinen mich ohne weiteres so als für ihn Anderen erfährt, wie ich ihn als meinen Anderen erfahre" (ebd.), und weiter "daß die Mehreren auch für einander als Andere erfahren sind". (ebd.) Dies ist freilich ein ärmliches Füreinander, weil die Monaden – obwohl wechselseitig einfühlend und einverstehend – sonst nichts miteinander – in einem wechselseitigen Austausch – zu tun haben. Ich kann höchstens "den jeweilig Anderen erfahren [...] nicht nur als Anderen, sondern als selbst wieder auf seine Anderen bezogen, und eventuell in einer iterierbar zu denkenden Mittelbarkeit zugleich auf mich selbst" (ebd.), wobei diese Beziehungen zu einander drittpersönlich bzw. unpersönlich bleiben. 

Es ist fraglich, ob die erste, fundamentale Gemeinschaftlichkeit, die intersubjektiv miteinander geteilt wird, diejenige der raumzeitlichen Natur ist. Denn wir haben bereits im vorigen Abschnitt gesehen, daß eine ursprüngliche, dreidimensionale Zeit in ihrer Offenheit die Voraussetzung für jedwede An- und Abwesung von Seiendem bildet, so daß diese ursprüngliche, dreidimensionale zeitliche Offenheit auch durch das Ich und das fremde Ich gemeinschaftlich geteilt und implizit auch 'selbstverständlich' als das einigende Selbe verstanden werden muß, damit es überhaupt zu weiteren "intersubjektiven Gemeinschaftlichkeiten" einschließlich derjenigen der raumzeitlichen Natur kommen kann. Husserl sieht dies auch auf seine Weise aber etwas undeutlich, wenn er schreibt, daß "die zeitliche Gemeinschaft der konstitutiv aufeinander bezogenen Monaden untrennbar ist, weil wesensmäßig mit der Konstitution einer Welt und Weltzeit zusammenhängend." (CM:131 §55) 

Mir scheint aber, daß diese zeitliche Gemeinschaft nicht lediglich "wesensmäßig [...] zusammenhängend", sondern wesensmäßig zugrundeliegend, oder vielmehr allumfassend ist. Und selbst Husserl behauptet, wie bereits besprochen, "daß alle Konstitution jeder Art und Stufe von Seiendem eine Zeitigung ist" (Kr:172 §49), nur daß er dabei stets an der linearen Zeit sowie an einem "allumspannende[n] innere[n] Zeitbewußtsein" gegenüber einer objektiven Zeit festhält. Merkwürdig dabei bleibt, daß, obwohl Husserl ernste Bedenken gegen die Rede von äußeren und inneren intentionalen Erlebnissen anmeldet, er trotzdem darauf insistiert, weiterhin von einem inneren Zeitbewußtsein zu reden. 

Etwas reimt sich nicht mit dieser Fortführung der alten Redeweise von Innen und Außen aus der Subjektivitätsmetaphysik – dies um so mehr im Hinblick auf das Phänomen der Zeit. Gemäß seinem Ansatz bei der transzendentalen Subjektivität kann Husserl nur versuchen, aufzuklären, "wie ich in mir ein anderes Ich, und radikaler, wie ich in meiner Monade eine andere Monade konstituieren und das in mir Konstituierte eben doch als Anderes erfahren kann". (CM:129 §55) Er muß dies versuchen, eben weil es "außerhalb des Universums möglichen Bewußtseins" (CM:86 §41) nichts gibt, und dieses Bewußtsein egologisch konstituiert ist. Wir haben jedoch gesehen, daß die egologische Bewußtseinssphäre eigentlich die allumfassende ursprüngliche dreidimensionale Zeit ist, an der alles Bewußtsein, d.h. alle Offenheit für die Welt, ursprünglich teilnehmen muß, und die folglich alle Bewußtseine miteinander gemeinschaftlich teilen müssen. Wenn das aber so ist, ist es unsinnig von einer "in mir konstituierten Natur" (CM:129 §55) oder ähnlichem zu reden, oder das Rätsel aufzustellen und zu lösen, wie ich mich "mit einer in mir, als vom Anderen konstituiert, konstituierten" Natur "identifizieren kann". (ebd.) Mit der analogisch appräsentativen Erschließung des Anderen als eines anderen Ego hat Husserl das Problem der Gemeinschaftlichkeit der Welt naiverweise von einem reduzierten psychophysischen Ich-Menschen ausgehend eigentlich bereits gelöst. 

Ich und der Andere sind jedoch beide von der universalen dreidimensionalen Zeit umschlossen und brauchen sich nicht gegenseitig jeweils 'in' uns als Monaden zu konstituieren. Demnach führt der transzendental phänomenologische Ansatz in ein Knäuel von Scheinproblemen, die Husserls Bemühungen zum Trotz Cartesische Dualismen von Innen und Außem mitschleppen. In der gemeinschaftlichen Teilnahme an der ursprünglichen Zeitlichtung hat jedes Ich seinen eigenen perspektivischen Blick auf die Phänomene, und diese Perspektiven weichen zunächst und zumeist voneinander ab. Solche Divergenzen können in der Regel nicht durch einen empathischen Blickwechsel behoben werden, indem ich mich an die Stelle des Anderen versetze, sondern diese voneinander abweichenden Ichperspektiven machen das Eigenheitliche eines jeden Ich aus. Solche divergierenden Perspektiven können eventuell durch einen dialogischen Austausch einander angenähert werden – eine Möglichkeit, auf die ich im Weiteren zurückkommen werde. 

Durch die universale, gemeinschaftliche Teilnahme an der ursprünglichen Zeitlichtung – oder eher das ihr gemeinschaftlich 'ekstatische' Ausgesetztsein – werden die Fragen einer gemeinschaftlichen Teilung der Welt weniger kompliziert, weil die Originalmonaden nicht jeweils gegeneinander abgeschlossen sind. Der phänomenologische Fokus kann sich so auf echte Phänomene des "Wechselseitig-für-einander-Sein[s]" (CM:133 §56) auch in einem praktischen Sinn verschieben. Die Menschen teilen sich nämlich die Welt nicht bloß dadurch miteinander, daß sie sich wechselseitig wahrnehmen und betrachten, sondern vor allem dadurch, daß sie sich miteinander austauschen. Die intentionalen Akte eines Ich beschränken sich nicht auf die bloße Wahrnehmung oder ihre zeitlichen Modifikationen in der Erinnerung oder der Hoffnung, sondern umfassen vor allem auch das intentionale, willentliche Streben-nach..., wobei dieses Streben-nach... oft genug den direkten Umgang – und wohl immer den indirekten Umgang – mit einem Anderen oder mit Anderen verlangt. 

Wenn ich z.B. wissen will und danach strebe, etwas herauszufinden, führt mich dieses Streben zu einem Austausch mit dem Anderen durch das Medium der Sprache – Dialog. In der Sprache können ich und der Andere unsere jeweiligen perspektivischen Verständnisse der Welt artikulieren und gegenseitig zum Ausdruck bringen, wobei ich etwas über die Welt lernen und so mein Streben nach Wissen befriedigen kann. Mein Streben-nach... kann sich aber auch auf ein nützliches Ding, das ich haben will, richten, das ich durch eine Tauschtransaktion auf einem Markt.von einem Anderen in meinen Besitz bringen kann. Dabei tun wir auch etwas füreinander – Geld gegen Ware – in einem genuinen Sinn, der Husserl anscheinend nicht in den Sinn kommt. Denn er und sein psychophysisches Menschen-Ego bleiben stets auf einem sicheren betrachtenden Abstand, aus dem die Menschen wenig miteinander zu tun haben, sondern eher aneinander vorbeigehen. 

Um dem Umgang der Menschen miteinander phänomenal näher zu kommen, verlangt es auch einen Blickwechsel von einem drittpersönlichen Blick von Außen auf das Gebaren des Anderen (s.u.), wie dies Husserl tut, zu einer zweitpersönlichen Betrachtung der gegenseitigen Gesten zwischen Ich und Du. In diesem Zwischen liegt der wahre Sinn des Inter- der Intersubjektivität – angenommen, man akzeptiert überhaupt den Ansatz bei der Subjektivität. Bei einer zweitpersönlichen Begegnung geht es wesentlich um die gegenseitige Wertschätzung vor allem im Hinblick darauf, was die beiden in irgendeinem Sinn füreinander tun können. Dieses Abschätzen fängt damit an, daß die beiden erst einmal Gesten der gegenseitigen Anerkennung der schlichten Anwesenheit des Anderen in einem Spiegelspiel der Gesten ausführen, wodurch sie gegenseitig einschätzen und anerkennen, daß sie beide Werseiende und nicht bloß Wasseiende sind. Als Werseiende mit Fähigkeiten und Kräften und auch Macht der verschiedenen soziopolitischen Art und Weisen schätzen sie sich gegenseitig zumeist im Hinblick darauf ein, was sie füreinander tun können, was dann mit weiteren Gesten und Ritualen der angemessenen sozialen Art vereinbart werden kann. 

Des Weiteren öffnet eine Begegnung mit Dir mir eine ganze – normalerweise private – Sphäre Deiner Welt vor allem dadurch, daß wir vertraut miteinander reden. Im Gegensatz zu Husserl ist diese Privatsphäre keine "eigenheitliche Bewußtseinssphäre", sondern Deine eigene Welt, die den meisten Anderen – der Öffentlicheit – in der Regel verborgen bleibt. Dieses vertrautere Sichkennenlernen ist keine Leistung der analogischen Appräsentation, sondern ein Aufeinander-Hören, bei dem die Sprache als Medium der gegenseitigen Entbergung der jeweiligen Privatsphäre dient. Denn die Sprache bringt Phänomene zu einem verständlichen Vorschein. 

Auch bei der Phänomenologie der angeblich "höherstufigen" Kultur  und sozialen Welten ist eine Betrachtung von echtem persönlichen Umgang miteinander vonnöten, und zwar schon deshalb, weil solcher Umgang des direkten persönlichen Ansprechens und Dialogs bedarf. Miteinander-reden ist kein Phänomen, das allein aus einer drittpersönlichen Betrachtungsweise adäquat begriffen werden kann. Auch das Schaffen von Kulturgütern wie Kunstwerken und Musikstücken bedarf des Austausches über Kunst- bzw. Musiktraditionen. Denn kein Künstler bzw. kein Komponist kann ab ovo anfangen, sondern muß von der Tradition lernen. 

Bei der "Problemgliederung der intentionalen Analytik der höheren intersubjektiven Gemeinschaften" (CM:135 §58) erwähnt Husserl nur im Vorbeigehen "Ich-Du-Akte[n]", wobei in der früheren Fassung der Cartesianischen Meditationen von 1935 diese nicht einmal erwähnt werden, sondern lediglich von "sozialen Akten" die Rede ist, "durch welche alle menschliche personale Kommunikation hergestellt wird" (CMP:159 §58; CM:135 §58), über die er aber weiter nichts sagt. Erstaunlich ist, wie sich Husserl in der V. Meditation, die ausdrücklich der Intersubjektivität gewidmet ist, mit einer bloßen "Problemgliederung" der Fragen nach einer Phänomenologie von sozialen Akten zufrieden gibt. Die Intersubjektivität ist nicht lediglich ein Phänomen der gemeinsamen Sinnkonstitution der Welt, sondern darüber hinaus eins, in dem die Menschen auch praktisch und gemeinschaftlich miteinander zu tun haben. Um solche Akte der praktischen Weltteilung in den Blick phänomenologischer Begriffe zu bekommen, bedarf es vor allem des Übergangs von einer drittpersönlichen zu einer zweitpersönlichen Perspektive, wovon es aber m.W. kein Anzeichen bei Husserl gibt, als wäre dies lediglich ein geringfügiges phänomenologisches Problem. Das Phänomen Ich-Du ist Husserl kaum der Rede wert, und dies hängt damit zusammen, daß er keine Sensibilität für die wesentliche Unterscheidung zwischen Wassein und Wersein aufbringt. Er wird daran gehindert, das Phänomen des Werseins überhaupt in den Blick zu nehmen, weil sein Ansatz den Menschen als das tranzendentale Subjekt ganz neutral und unpersönlich auffaßt bzw. entwirft. 

6. Warum Subjektivität überhaupt?

Das große Verdienst Husserls ist es, die vorgegebene Welt mit allen ihren Selbstverständlichkeiten, welche die modernen Wissenschaften alle als fraglose, empirische Basis voraussetzen, in Frage zu stellen, um sie in einer durch universale Epoché bewerkstelligten Aussetzung der Welt aus in ihrem Sinn Schritt für Schritt phänomenologisch ausdrücklich zu konstituieren. Damit rückt die Frage nach der Psyche, d.h. nach dem menschlichen Sein als Offenheit für die Welt, ins Zentrum des philosophischen Interesses, ohne sie unangemessen als Objekt der wissenschaftlichen Forschung zu betrachten und so phänomenal zu vergewaltigen. Es liegt an uns zu prüfen, wie radikal Husserl dabei verfahren ist, d.h. ob er trotz aller tranzendentalen Enthaltung von der vorgegebenen Welt tiefsitzende Selbstverständlichkeiten mitgeschleppt hat, die nun wiederum von uns in Frage gestellt werden müssen, um eine ganz andere, tieferliegende Ausgangsbasis für den phänomenologischen Gang zu schaffen. 

Im vorliegenden Aufsatz habe ich den Versuch unternommen, den neuzeitlichen hermeneutischen Entwurf des Menschseins als Subjektivität in Frage zu stellen – einen Entwurf, der zu den tiefsten und deshalb problematischsten Selbstverständlichkeiten unserer heutigen Welt gehört. Die Infragestellung betrifft in erster Linie eine kritische Prüfung des Phänomens des Bewußtseins überhaupt mit dem Ziel, es in die gemeinschaftlich geteilte Offenheit der dreidimensionalen, ursprünglichen Zeit jenseits des Ich zu überführen und so zu erweitern, damit die Cartesischen Antinomien von Innerhalb und Außerhalb des Bewußtseins endlich genuin aufgelöst werden, statt daß sie in der nur anscheinend neuen Unterscheidung von Immanenz und Transzendenz wieder auferstehen. Damit geht eine sorgfältige Ausarbeitung und Auslegung der Phänomenalität des Werseins einher(9) – eine Aufgabe, die bisher in der westlichen Philosophie nur in kleinen Nischen in Angriff genommen worden ist. Mit einem solchen alternativen Anfang wird aber das Menschsein als zeitliches Wersein entworfen und entfaltet, und so die transzendentale Subjektivität Husserls verabschiedet. 
 


    Anmerkungen
    1. Herzlichen Dank an Astrid Nettling und Rafael Capurro für wertvolle kritische Bemerkungen. Zurück zu 1.

    2.  
    3. Hg. Walter Biemel Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands 2. Auflage 1976. Auch enthalten mit der gleichen Paginierung in Edmund Husserl Gesammelte Schriften Band 8 Hg. E. Ströker, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1992, zitiert in der Form (Kr:S.xxx). Die Lektüre dieses Textes wird für das Nachvollziehen dieses Aufsatzes vorausgesetzt. Husserls Kursivierungen werden durchgehend übernommen. Zurück zu 2.

    4.  
    5. Husserl scheint ausschließlich an das "europäische Menschentum" zu denken. Das Interkulturelle ist aber mittlerweile auch in die Philosophie eingezogen. Vgl. z.B. Ralf Elberfeld Philosophieren in einer globalisierten Welt. Wege zu einer transformativen Phänomenologie Alber 2017 oder Rafael Capurro 'Intercultural Information Ethics' in Kenneth E. Himma & Herman T. Tavani (eds.) The Handbook of Information and Computer Ethics Wiley, New Jersey 2008, pp. 639-665: "Cultural frameworks are not conceived as closed worlds but as grounded in common affective human experiences of sharing a finite existence in a common world."  Zurück zu 3.

    6.  
    7. "La filosofia naturale è scritta in questo grandissimo libro che continuamente ci sta aperto innanzi agli occhi, io dico l'universo, ma non si può intendere se prima non s'impara a intender la lingua e conoscer i caratteri nei quali è scritto. Egli è scritto in lingua matematica, e i caratteri son triangoli, cerchi ed altre figure geometriche, senza i quali mezzi è impossibile a intenderne umanamente parola; senza questi è un aggirarsi vanamente per un oscuro labirinto." Galileo Galilei (1564-1642) Il Saggiatore a cura di L. Sosio, pref. di G. Giorello, Feltrinelli, Milano 1992. Zurück zu 4.

    8.  
    9. Cartesianische Meditationen in Edmund Husserl Gesammelte Schriften Band 8 a.a.O., zitiert in der Form (CM:S.xxx). Edmund Husserl Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge Hg. S. Strasser, Martinus Nijhoff, Haag 1950 mit seinem teilweise abweichenden Text wird auch in der Form (CMP:S.xxx) zitiert. Die Lektüre auch dieses Textes wird für das Nachvollziehen des vorliegenden Aufsatzes vorausgesetzt. Zurück zu 5.

    10.  
    11. Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie 1913 in Edmund Husserl Gesammelte Schriften Band 5 a.a.O., zitiert in der Form (Id:S.xxx). Zurück zu 6.

    12.  
    13. E. Husserl Zur Phänomenlogie des inneren Zeitbewußtseins Hg. R. Boehm, Martinus Nijhoff, Haag 1966. 

    14.  
    15. Dieses diskontinuierliche Sprunghafte der 3D-Zeitlichtung, nach dem ich mich (etwa intentional 'hinstreckend') in andere zeitliche Dimensionen versetzen, bzw. aus denen mir ein Vorkommnis einfallen kann, ist auch nicht mit der "Erstrecktheit" (Heidegger) der ekstatischen Zeitlichkeit von Sein und Zeit zu fassen. Die lineare 1D-Zeit ist eine eng-zusammenhängend-kontinuierliche, die echte 3D-Zeit eine offene mit voneinander unabhängigen zeitlichen Dimensionen, die mehr zeitliche Bewegungsfreiheit des Da bzw. der Psyche ermöglichen. Mehr zur ursprünglichen Zeitlichtung in M. Eldred A Question of Time CreateSpace, Charleston North 2015. Zurück zu 8

    16.  
    17. Mehr dazu in M. Eldred Social Ontology: Recasting Political Philosophy Through a Phenomenology of Whoness ontos/deGruyter Verlag, Frankfurt/Berlin 2008/2011, Phänomenologie der Männlichkeit Verlag J.H. Röll, Dettelbach 1999 und 'Freiheit und Blindheit'. Zurück zu 9.

    18.  


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