kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


8. Der Mythos vom Phallus

g) Der geschichtliche Entzug des Phallus


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    8. g) Der geschichtliche Entzug des Phallus

  1. Wenn nun der Phallus als verborgener Gott des männlichen Seins mythisch gesagt wird, wird dabei nicht versucht, auf den Dionysos-Kult zu rekurrieren, wo Phallogogien, d.h. Umzüge von Phallustragenden (phallósphoroi), worin ein Riesenphallus anscheinend als Fruchtbarkeitssymbol auf ein Gerüst montiert wurde, gang und gäbe waren. Der Phallus, von dem hier die Rede ist, ist kein sichtbares Symbol für Seiendes, sondern ein mythisches Wort, das das Sein selbst als männliches benennt. In der modernen Vorstellungsweise wird die Bedeutung des Phallus gerne als Symbol der natürlichen Zeugung vorgestellt, weil das sich mit dem gängigen Verständnis des Dionysos-Kults und überhaupt von 'noch naturhaften' Gottheiten reimt. Demnach wird der Mensch von einer vermeintlichen Nähe zur Natur her gesehen. Wenn man jedoch diese leicht zugänglichen Vorstellungen fahren läßt und versucht, sich einen anderen Zugang zum Phallus aus dem männlichen Sein heraus und vor dem Hintergrund der alétheia zu verschaffen, um so dem heute noch verborgen waltenden Phallus auf die Spur zu kommen - und damit das sogenannte Patriarchat auf den Begriff zu bringen -, dann erscheint rückblickend auch der antike Phalluskult in einem gänzlich anderen Licht, nämlich als ein Fest des Seins, des entbergenden Aufgehens, wobei der Phallus die Rolle eines Sinnbildes des Aufgehens selbst übernimmt.

  2. In die poíesis übernommen waltet der Phallus metaphysisch als verborgener Gott, der niemals der Verbergung entrissen zu werden vermag. Im geschichtlichen Augenblick, da die poíesis auf die physis übergreift, zieht sich der phallós in die Verborgenheit zurück. Daß der Phallus zweifellos auf das Männliche verweist, deutet darauf hin, daß historisch das Aufgehen als Seiendes vorzüglich dem männlich Seienden als poietés vorbehalten blieb. Dieses Aufgehen ist in der vorliegenden Abhandlung Wersein genannt worden. Das Wersein ist als Verehrung des Phallus eine geschichtliche Grundhaltung des männlich Seienden, die jedoch nicht allein von Männern eingenommen zu werden braucht. Als Bestreben und Sorge um die eigene Ständigkeit der Anwesung ist das Wersein phallisch. Ohne eine beharrliche Besinnung, die die gängige 'Auffassung' einer Logik des Phallus in der Existenz selbst verwurzelt, bleibt der Phallus in selbstverständlichen Vorstellungen gefangen und damit ein leeres, undenkerisches Wort.



      Anmerkungen 8. g)


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