kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


4. Der Ruf in die Polis

d) Ruhm


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    4. d) Ruhm

  1. Der Ruf wird in einer Dimension von Größe und ihrem Gegenteil, dem Heruntergekommensein und der Kleinlichkeit, angesiedelt. Die Steigerung des Ansehens macht den Ruf lauter, er wird zum Geschrei des Ruhms, der aus aller Munde weiter geschrieen wird. Der laute Ruf des Ruhms fällt in das offene, neugierige Ohr der Öffentlichkeit, die in ihrem Heißhunger nach Geredestoff den berühmten Namen mit Tratsch verziert und weiterreicht. Ruhm bedeutete ursprünglich "Geschrei, mit dem sich jemand brüstet; Prahlerei, Lobpreisung".

  2. Der Ruhm bedient sich heute der technischen Mittel der Massenmedien, um soviel Raum wie möglich im Gehör der Öffentlichkeit einzunehmen - der Name räumt sich in die Lichtung der Öffentlichkeit ein -, und umgekehrt: ohne die technischen Hilfsmittel der Massenmedien ist heute der Ruhm nicht möglich, ja, sie können von einem Wer und seinen Unterstützern bzw. Manipulatoren sogar eingesetzt werden, um einen Ruhm erst zu schaffen. Diese letzte Möglichkeit stellt die heutige Gestalt des "Geschreis, mit dem sich jemand brüstet" und zurüstet, dar. Das 'Neue' an den heutigen Massenmedien ist vom Seinshorizont her betrachtet gar nichts Neues, sondern etwas Altes, im Wersein selbst Gegründetes. Das Sichbrüsten als ein Sich-in-die-Brust-werfen ist darauf aus, sich ein prahlendes, strahlendes Ansehen zu geben. Die Brust als ein Ort des leiblichen Aufschwellens ermöglicht in der 'übertragenen' Dimension des Werseins die Aufgeblähtheit eines Wer, der viel Luft von sich gibt. Die Übertragung selbst ist ein Aufgehen des logos in seiner eigenen Dimension als Spiel der Differenz der Zeichen.

  3. Das Verständnis von 'übertragener Bedeutung' im Gegensatz zur 'konkreten' oder 'rein physischen' Bedeutung entstammt einer Auslegung der Sprache von der Vorhandenheit her, die der übertragenen Bedeutung ein Minderes an Sein zuspricht, als nenne das Wort in seiner konkreten Bedeutung das vorhandene Ding selbst in seiner ontischen Gegebenheit, als nenne z.B. das "Tor" in seiner konkreten Bedeutung ein vorhandenes, schwenkbares Ding in der Öffnung einer Mauer, während "Tor zum Orient" z.B. eine übertragene, weniger seiende Bedeutung wäre. Die Aufgeblasenheit und Aufgeblähtheit des männlich Seienden in der politischen Lichtung (des Mitseins) ist nicht weniger konkret als die Aufgeblasenheit eines Ballons oder eines Frosches. Erst das Loslösen des Logos von einer intendierten physischen Vorhandenheit, seiner ständigen Anwesenheit, und die Besitznahme desselben durch den männlich Seienden als seine Wesensauszeichnung läßt die selbständige Dimension der sogenannten übertragenen Bedeutung als Logos in ihr Eigenes kommen. Das Aufgehen des männlich Seienden als Logos- und Onoma-habend im Miteinandersein der Polis und die Loskopplung von der Physis finden in der Aristotelischen Metaphysik ihre Vollendung und Verfestigung.

  4. Anhand des griechischen Wortes phusa läßt sich die Reichweite der Übertragung beispielhaft erkunden. Die phusa ist das Blasen des Windes und des Hauches aber auch der Blähung. Das zugehörige Zeitwort phusan heißt "blasen" aber auch im übertragenen Sinn, d.h. in der durch den logos eröffneten Dimension des Wer-seins, "hochmütig, aufgeblasen sein". Das Sein als Wer ermöglicht z.B. das Aufgehen des männlich Seienden in der polis als Überhöhung seiner selbst im sichaufblähenden Ruhm, oder m.a.W., der namhaftende logos ermöglicht ein 'unnatürliches', überspitztes Aufgehen des männlich Seienden in der Öffentlichkeit als Berühmtheit. Das Aufgehen eines aufgeblähten männlich Seienden ist aber nicht weniger seiend als das Aufgehen einer Blüte, die physische Bedeutung ist nicht konkreter als die sogenannte übertragene. Die Aufgeblähtheit eines männlich Seienden jedoch ist nur möglich im Miteinandersein, zu dem das Wersein gehört, wie auch umgekehrt: das Miteinandersein zum Wersein gehört. Das bedeutet aber keineswegs, daß das physische bzw. physishafte Aufgehen einer Blüte rein natürlich wäre, unabhängig vom Logos, da das physishafte Aufgehen nur für das logoshabende Seiende ist. Physishaftes Aufgehen und polishaftes Aufgehen, d.h. Wersein, sind beide gleichwertige Seinsweisen. Mit dem polishaften Aufgehen hat es jedoch die besondere Bewandtnis, daß es ohne die Eigengenanntheit des Werseins nicht vonstatten gehen kann, d.h. die Dimension der ersten Person, des 'bin', der 0. Kategorie muß eigens berücksichtigt werden, um den Stand des männlich Seienden in der Lichtung der polis zu verstehen.



      Anmerkungen 4. d)


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