kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


3. We(h)rlosigkeit des Versagers

h) Der Melancholiker


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    3. h) Der Melancholiker

  1. Auf den ersten Blick ist die Gestalt des Versagers mit der des Melancholikers verwandt, doch unter den Bedingungen einer geschichtlichen Verpuppung wäre der versagende Wer nicht mehr der sich sammelnde Melancholiker, der noch Großes vorhat. Auch die Gestalt des Melancholikers hat bereits eine ruhmvolle Geschichte hinter sich, insbesondere im Zusammenhang mit der Geschichte der Philosophie. Aristoteles fragt schon:

  2. und nennt dabei ausdrücklich Empedokles, Sokrates, Platon.[1] Diese Melancholiker haben etwas Schweres auf sich genommen und daraus eine große Leistung hervorgebracht. Das jeweilige Schicksal ist dadurch ein schweres gewesen, daß jeder als Werkzeug des Schicksals etwas Großes zu Stande bringen mußte. Die großen Melancholiker haben - in Heideggerscher Sprache - geschichtliche Bahnen freigemacht und damit Geschichte zur Entscheidung gestellt. Die Gestalt des Versagers hingegen kündigt einen Abschied von der Möglichkeit großartiger geschichtlicher Entwürfe an, sofern es - angesichts der Willensschwäche des Menschenwesens, was nicht vom Menschen kommt - keine geschichtlichen Entscheidungen mehr zu fällen gibt zumindest nicht in dem Sinn, daß ein Menschentum von sich aus ein neues Zeitalter gründen könnte. Der Versager ist mit in die strudelnde, nihilistische Bewegung der Entwertung der höchsten Werte hineingezogen worden, jedoch ohne den Nietzscheschen Kraftakt einer Setzung neuer Werte vollziehen zu können. Der wertesetzende Wille zur Macht, der das Nichts der Wertlosigkeit der bisherigen obersten Werte überwinden sollte, bleibt dem Versager vorenthalten. Kein Wille und keine Macht vermögen ihm einen Ausweg zu zeigen, und deshalb verharrt er im Ausweglosen, mit oder ohne Verzweiflung[2]. Bedeutet dies Defätismus vor den Aufgaben und Herausforderungen der Geschichte? Oder hat sich die Geschichte aus dem Bereich des Willens und der großen Aufgaben zurückgezogen? Liegt heute die geschichtliche Größe darin, zu warten, ohne eine Ankunft zu erwarten?



      Anmerkungen 3. h)


    1. Aristoteles, Problemata. Aristotelis Opera, Hg. I. Bekker, Berlin 1831, Bd. II. L 1, 953 a 10ff, zitiert nach Heidegger GA Bd. 29/30 S.271 Back

    2. "Nur wer zu kurz, d.h. nie eigentlich denkt, bleibt dort, wo eine Versagung und Verneinung andrängt, haften, um daraus den Anlaß zur Verzweiflung zu nehmen. Dies aber ist immer ein Zeugnis, daß wir noch nicht die volle Kehre des Seyns ermessen haben, um darin das Maß des Da-seins zu finden." Heidegger Beiträge zur Philosophie GA 65 S. 412. Back

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