kaum ständig noch

Phänomenologie der Männlichkeit als Wersein


Michael Eldred


artefact text and translation
Cologne, Germany


Vorwort


Version 2.1 July 1996
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Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels


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    Vorwort

  1. Andreia, Virilität, Männlichkeit: Die Phänomene, die unten diesen Titeln geführt werden, sind bekannt. Gibt es aber einen tieferen Zusammenhang derselben mit dem Kern der Metaphysik? Dies läßt sich nur einschätzen von einem Standpunkt, der die Metaphysik im Blick hat, d.h. der schon außerhalb der Metaphysik liegt. Außerhalb der Metaphysik muß aber vom Sein als solchem her gedacht werden. Die vorliegende Abhandlung unternimmt einen solchen Versuch und schlägt damit eine Richtung ein, die allen Gender Studies wesensfremd anmutet, denn für diese ist die Geschlechtlichkeit als solche keine echte Frage. Vielmehr wird in feministischen Diskursen von der Tatsache als festem Bezugspunkt ausgegangen, daß es Frauen und Männer gibt, statt nach dem Sein der Geschlechter zu fragen.

  2. Kaum ständig noch deutet auf die Fragwürdigkeit der Ständigkeit hin, die das metaphysische Sein durchsetzt. Die Ständigkeit - die hier in einen Zusammenhang mit der Männlichkeit gebracht werden wird - steht am Ende des zweiten Millenniums nicht mehr so fest und fraglos da. Das Denken hat die Aufgabe, dem Wanken der Ständigkeit nachzuhelfen, um auch die feste Selbstverständlichkeit des männlichen Seins in Zweifel, in die Frage zu ziehen. Darin wird die Frage nach dem Wersein die Leitrolle spielen. Denn das Sein hat im Abendland in erster Linie männliche Menschen hervorgerufen, die sich aus dem Wersein verstehen. Das Wersein ist ein exponiertes menschliches Sein, ein ständiges Hinaufragen in der Lichtung der Unverborgenheit des Seins. Was 'ständig', 'Hinaufragen', 'Lichtung', 'Unverborgenheit' unter anderem bedeuten, soll im Laufe dieser Studie, die sich um ein langsames Durchdenken bemüht, deutlicher werden.

  3. Das philosophische Denken ist nichts anderes als ein Fragen danach, wer wir sind. Wer wir sind, ist immer eine Sache des geschichtlichen Entwurfs, der - angefangen mit den Griechen - den abendländischen Menschen in immer neuen Abwandlungen aus einem Verhältnis zur jeweiligen geschichtlichen Welt entlassen hat. Heute reicht es nicht mehr aus zu fragen, wer wir sind, sondern es muß auch der Schritt zurück gemacht werden und aus dem daraus sich ergebenden Abstand gefragt werden, was es heißt, wer zu sein. So zu fragen bedeutet, alle Anthropologie und Psychologie und naturwissenschaftlichen Erklärungen außen vor zu lassen, denn diese Wissenschaften untersuchen den Menschen als etwas Gegebenes und nicht als etwas geschichtlich aus dem Bezug zum Sein je und je Entworfenes. Auch soziologische Diskurse sind außer Stande, das Wersein in seiner Geschichtlichkeit zu denken, da sie nicht in ein Fragen nach dem Sein hineinreichen. Als positive Aufgabe bedeutet dies für die vorliegende Abhandlung, hinter das Wörtchen "wer" zum Phänomen derjenigen Seinsweise zu steigen, die dann 'männlich' heißen soll.

  4. Wer wir abendländisch sind, ist immer wieder neu aus dem Sein selbst entlassen worden, ohne daß dieses Schicken in der Epoche der Metaphysik selbst jemals ersichtlich werden konnte. Heute - wo das Abendland oder der Westen in die Vollendung seiner geschichtlichen Bahn gelangt ist - bedarf es des Rückblicks, um die Zukunft vielleicht anders zu entwerfen oder in sie anders eingelassen zu werden.

  5. Durch das Hinterfragen der Männlichkeit und ihre Rückführung auf eine Ständigkeit des Seins wird im Lauf des Denkwegs eine andere Dimensionalität spürbar, die in der Metaphysik - und damit in der abendländischen Geschichte - niemals ersichtlich werden konnte und deshalb stets übersehen und übersprungen wurde. Diese andere Seinsweise - neben der Ständigkeit des Seins kaum vernehmbar - wird eine Möglichkeit bieten, auch die Weiblichkeit anders, d.h. vom Sein her, zu erfahren.

    ME Köln, im Juli 1996



      Anmerkungen 0.


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